Ein Elefant im Mückenland
Elefantenquäle-rei erhielte, könnte man unverzüglich und ungeniert eingreifen. Zur Durchsetzung der grünen Idee brauchte man eben Mut und Effektivität.
Ein junger Mann, der an der Universität von Tampere assistierte, hielt einen zukunftsweisenden Beitrag über die künftige Kraft und die weltgeschichtliche Bedeutung der grünen Idee. Er verglich die Naturschutzbewegung mit den großen Weltreligionen, die alle, ohne Ausnahme, aus einem kleinen und zufälligen Ereignis heraus ent-standen waren. Aber die allgemeine Not und die Sehn-sucht nach einer höheren Macht hatten immer mehr unglückliche und ausgestoßene Menschen um die Reli-gionen geschart. Zum Beispiel hatte sich der christliche Glaube von seinen kleinen und bescheidenen Anfängen im Laufe der Jahrtausende zur größten Religion der Welt entwickelt, der heute Milliarden von Menschen anhin-gen. Die politischen Bewegungen ähnelten in diesem Sinne den Religionen, aber ihr Lebensbogen war stets kurz, überdauerte im besten Falle eine oder zwei Gene-rationen. Dies wiederum kam daher, dass eine politische Bewegung stets machtgierige Männer, und heutzutage auch Frauen, zu ihren Führern wählte, Leute, die in ihrer grenzenlosen Selbstsucht das edle Ziel vergaßen und es dadurch zerstörten, ebenso wie auch seine An-hänger.
Der Redner sah die Grünen auf den ersten Metern ih-res Weges. Es handelte sich in gewisser Weise um eine Religion, aber andererseits auch um eine politische Bewegung. Jetzt musste aufgepasst werden, dass religi-öser Fanatismus nicht zu viel Macht in der Bewegung bekam, zugleich musste abgesichert werden, dass nicht machtgierige, zerstörerische Kräfte in ihr Fuß fassten.
Zum Beispiel konnte jetzt die Gelegenheit genutzt werden, die der Besuch des Elefanten in Tampere bot: Die Blicke der Menschen mussten auf das unmenschli-che Schicksal des gequälten Riesen gelenkt und da-durch große Volksmassen in die Grünenbewegung integ-riert werden. Dies war ein Anfang, es war eine vom Schicksal gebotene Chance. Später irgendwann wäre es dann so weit, dass die Grünenbewegung die ganze Welt beherrschte, aber jetzt mussten zunächst mal die ersten kühnen Schritte gemacht werden. Da der ganze Vorfall, also die demütigende Quälerei des Elefanten im Flei-scherladen, vorläufig sehr rätselhaft und von Gerüchten begleitet war, beschloss die Gruppe, sich zunächst genau zu informieren. Die Anwesenden überlegten, wie sie das in der Praxis anstellen könnten. Sollte man die Polizei fragen, wo sich Tier und Reiter derzeit aufhielten und zu welchem Zweck sie unterwegs waren? Oder wäre es doch klüger und hinsichtlich des künftigen Lebens des Elefanten vernünftiger, selbst seinen Aufenthaltsort zu ermitteln? Man sollte doch denken, dass ein so gro-ßes Tier leicht zu finden wäre. Man brauchte nur durch Häme zu fahren und unterwegs die Leute zu fragen, ob sie einen Elefanten in der Gegend gesehen hatten. Schade nur, dass niemand in der Gruppe ein Auto besaß. Ein Fahrrad hatte jeder, aber aus dem Fahrrad-sattel einen Elefanten auszuspionieren dürfte sehr langwierig werden.
Man beschloss, einen PKW zu mieten. Einige der jun-gen Männer besaßen zum Glück einen gültigen Führer-schein, und der wurde nun gebraucht. Spontan wurde eine Geldsammlung für die Wagenmiete initiiert. Wenn man den Elefanten dann gefunden hätte, könnte man einen Bus mieten und die Kraft der Massen für die Befreiung des Tieres nutzen. Jeder der Anwesenden hatte langjährige Erfahrungen mit Demos.
Während der Abend langsam in die Nacht überging, wandte sich das Gespräch allgemeineren Fragen zu. Die Anwesenden diskutierten darüber, ob es sich beim Tierschutz um den Schutz einzelner Tiere oder die Absi-cherung des Lebensraumes für ganze Populationen handelte. Eines der Fuchsmädchen sagte, dass ihr Augenmerk nicht so sehr der Anzahl der Tiere (der von ihr befreiten Nerze und Füchse) als vielmehr ihren Le-bensbedingungen galt. Aber andererseits, wenn das zu befreiende oder zu schützende Tier so ungeheuer groß wie in diesem Falle der Elefant war, so hatte das schon einen gewissen Stil.
In den frühen Morgenstunden, als Rotwein- und Bier-vorräte zur Neige gingen, verfassten die Anwesenden ein inoffizielles Kommuniqué, vorrangig zur eigenen Nut-zung. Darin konstatierten sie kurz und bündig, dass der in Tampere gedemütigte Elefant wie ein Vorbote der Zukunft war, ein Tier, das in Not war und in dessen Schicksal man eingreifen musste. Außerdem war er das erste
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