Ein Engel an Güte (German Edition)
Nacht den Piave überschreiten.»
« Umso besser; ich gehe. Apropos, wo finde ich Gewehre?»
« Sie sind schon seit zwei Tagen oben im Haus von Giannozzo.»
« Gut», erwiderte Celio im Gehen.«Auf Wiedersehen morgen in Noale, Herr Graf, wenn das Glück Euch hold ist, was ich Euch wünsche.»
Marco war nicht mehr im Vorzimmer, das nun völlig im Dunkeln lag; tastend fand Celio trotzdem den Weg zurück, den er gekommen war, öffnete die kleine Pforte und trat auf die Straße hinaus. Ins Freie gelangt, wandte er sich kopfschüttelnd zum Haus des Carmini um und murmelte:« Gott verzeihe mir, aber der Graf hat so etwas Lustloses...! Doch sei dem, wie es wolle!», setzte er mit einem Achselzucken hinzu und machte sich auf den Heimweg.«Der Reigen ist eröffnet, und nun heißt es tanzen!»
Er blieb bis tief in der Nacht wach, reinigte seine Waffen und brachte einige Papiere in Ordnung, viele verbrannte er auch, dann warf er sich vollständig angekleidet aufs Bett, um wenigstens bis zwei Uhr zu ruhen. Von Einschlafen konnte allerdings nicht die Rede sein, da ihm so viele Sorgen und Gedanken im Kopf herumgingen, dass der zu zerspringen drohte, sowie er ihn aufs Kissen betten wollte. Um Mitternacht lag er immer noch so da und verfluchte bei sich seinen Kleinmut, durch den er Morosina auf ewig verloren hatte.« Auf ewig...!»Lang verweilte er bei diesem Wort, drehte und wendete es und betrachtete es von allen Seiten, und immer erschien es ihm fürchterlich, schmerzlich, unwiderruflich. Auf ewig...! Da kamen ihm Paradies und Hölle in den Sinn, das zügellose Leben, das er bisher geführt hatte, Gott, der straft und der belohnt, und als er bedachte, dass er morgen in Lebensgefahr geraten würde, bereute er, nicht gebeichtet zu haben.«Wer weiß? Vielleicht stimmt es ja!», dachte er.«Auf jeden Fall wäre es gut, einen Fuß im Steigbügel zu haben...! Aber für diesmal mag es hingehen...! Man sagt ja, auch tiefe Zerknirschung über die eigene Schuld genügt, und sollte ich in die Lage kommen, würde ich diese Zerknirschung sicher verspüren ... Arme Morosina, dass wir auch im Paradies nicht zueinanderfinden sollen!»
So, hin- und hergerissen zwischen Resten von Kinderfrömmigkeit, den bequemen Glaubensauffassungen der eleganten Welt und Liebeswahn, hörte der Cavaliere es ein Uhr schlagen, dann zwei. Da stand er auf, brachte seine Kleidung in Ordnung und bewaffnete sich bis an die Zähne; er trat aus dem Haus und nahm den direktesten Weg ins Gebirge.
Doch in diesen wenigen Stunden hatten sich in der Villa in Fonte viele Dinge zugetragen, die angezeigt sein wollen, damit die Erzählung gleichmäßig voranschreiten kann.
Kaum war der Cavalier Terni durch das geheime Pförtchen auf die Straße hinausgeschlüpft, zeigte sich an einem Türspalt im Vorzimmer des Grafen vorsichtig und schüchtern ein Köpfchen; das war Momolino, der Adoptivsohn im Hause Carmini, der Pylades 102 des unschuldigen Nicoletto. Hinter seinem schmächtigen und bartlosen Knabengesicht türmten sich in markantem Gegensatz dazu drei enorme, furchterregende Visagen auf. Das eine war Marco, der Sbirrenführer des durchlauchtigsten Grafen, und sein Gesicht trug den Ausdruck primitiver Gewalttätigkeit; das andere war Giannozzo, der Holzfäller vom Mantello – Hass und Rachedurst standen ihm in furchtbaren Lettern auf die Stirn geschrieben und glommen in seinen Augen; das dritte Gesicht war unter einer Samtmaske verborgen, auf die sich die Krempe eines unförmigen Hutes herabsenkte, ein leichter Mantel aus schwarzem Wollstoff fiel von den Schultern. Das von der schmalen Türöffnung gerahmte Gemälde war von oben erhellt durch eine Lampe, die der im Mantel über die Köpfe der anderen erhoben hielt. Momolino tat zwei wirklich winzige Schrittchen vorwärts, dabei zugleich in alle Richtungen spähend, mit weit aufgerissenen, vorquellenden Augen, gespitzten Ohren und angehaltenem Atem, ein Bein in der Luft.
« Vorwärts, Hasenfuß!», knurrte Giannozzo ihm leise ins Ohr; und die Aufforderung wurde begleitet von einem groben Stoß, der Momolino auf seinen eigentlichen Posten beförderte, nämlich mit dem Auge genau vor dem Schlüsselloch der Tür zum Kabinett.
Bei diesem Geräusch blickte der Graf von seinen Papieren auf.«Marco!», rief er.
« Hier bin ich, Durchlaucht!», antwortet dieser mit einem Grinsen zu seinen zwei Begleitern.
« Zu Diensten, Euer Gnaden.»
« Gut, gut!», sagte Carmini.«Rühr dich nicht vom Fleck, bis ich es dir
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