Ein Engel an Güte (German Edition)
ganz bei Sinnen?», erwiderte Moretta und hielt sie am Rockzipfel zurück.«Wozu eine Bluse bei solchen Schultern, wie die Signorina sie zu haben scheint? Schau doch nur, schau!», fuhr sie fort und schob die Ärmel am Kleid des Mädchens hoch.«Sag mir doch, ob das nicht weiß ist...! Und was für Rundungen, was...? Und welche Frische!»
Morosina blickte zu Boden, weil sie sich dieser Verfügung anderer über ihre Person schämte; aber auch Adriana ließ nicht ab, sie aus großen Augen bewundernd anzuschauen.«Wahrhaftig, Moretta, welche Vollkommenheit!», rief sie.«Ihre Schultern sind weicher, weißer und runder als meine! Du hast recht, es wäre schade, derart wundervolle Dinge vor Seiner Exzellenz verborgen zu halten, wo er doch solchen Gefallen daran findet. »
Sie war Moretta nun dabei behilflich, dieses Hauskleid anzupassen, und mit ein paar Nadelstichen wurde es so geschickt umgeändert, dass es wirkte wie von einem Maler einer Venus übergeworfen.
« Ach, wie schön! Ach, wie bildschön!», riefen die beiden, indem sie wie närrisch um das Mädchen herumhüpften und es von allen Seiten musterten.
« Und heute Abend erst, heute Abend auf der Piazza!», rief Moretta.«Da wird die Signorina eine wahre Leimrute für die Gimpel sein! Welche Eifersüchteleien, welcher Neid!»
« Aber Sie müssen wissen, Signorina», versetzte Adriana,«ich pflege die Verehrer gründlicher zu prüfen als nur mit dem Auge, gewandt und witzig müssen sie sein in der Konversation, keine solchen Tölpel, über die man schon lacht, wenn man nur sieht, wie sie den Hut lüften.»
« Und keck müssen sie sein, keck!», fuhr Moretta fort,«dann haben wenigstens wir die Zügel in der Hand; während nichts entmutigender ist, als wenn man sie ständig anstacheln muss... nicht wahr, Signorina? Als ob wir ... na, man weiß schon was wären ...»
Und so spielten die beiden einander im Gespräch weiter die Bälle zu. Morosina war überrascht, nicht so sehr über das, was sie da zu hören bekam, denn es glich im Grunde den Unterhaltungen im Kloster, als vielmehr über die Art und Weise. Diese Manier, alles ganz offen auszusprechen und die Dinge ohne Umschweife beim Namen zu nennen, war auf Dauer einigermaßen verletzend für ihr empfindsames Zartgefühl. Aber da sie selbst von ihrem Wesen her freimütig und offenherzig war, schrieb sie diese Abneigung einem Mangel an Erfahrung zu. Sie sagte sich, dass Worte die Dinge nicht hässlicher machen, und so zwang sie sich, ihren Widerwillen zu überwinden, und antwortete munter in ihrer gewohnt gutherzigen und unschuldigen Art. Weshalb die kleinen Zofen fortfuhren in ihrem losen Geplapper und unter schallendem Gelächter Geschichten von genasführten eifersüchtigen Liebhabern erzählten, von blinden und lächerlichen Ehemännern, von unternehmungslustigen Ehefrauen und von Mädchen für die schönen Stunden, um diesem unschuldigen Täubchen, wie sie sich vorgenommen hatten, ein wenig Welterfahrung beizubringen.« Ach herrje», rief plötzlich Adriana,«ob die Zimmer für die Signora wohl hergerichtet sind?»
« Sind nicht Veronica und Giuliana unten?», erwiderte Moretta.
« Ja», bestätigte die andere,«aber du weißt doch, wie diese beiden Alten sind, alles nehmen sie zum Vorwand, um Geschichten von anno dazumal aufzuwärmen oder Lotto zu spielen, und unterdessen bleibt die Arbeit liegen!»
« Giuliana, Giuliana!», rief Moretta.
« Lasst gut ein, macht dieser Frau doch meinetwegen keine Umstände!», entgegnete Morosina.« Ich fühle mich hier vollkommen wohl.»
« Nein, nein, Seine Exzellenz hat es so befohlen, und man muss nachsehen, was diese Schlafmützen zuwege gebracht haben...! Giuliana, Giuliana!», rief sie noch einmal lauter, indem sie sich aus dem Fenster lehnte.«Ich rufe diejenige von den beiden, die die Flinkere und weniger Schwerhörige ist.»
Am unteren Balkon wandte sich ein Gesicht voller Runzeln und Schminke nach oben, bekrönt von einer enormen pechschwarzen Perücke, auf der wiederum eine Haube mit scharlachroten Bändern saß.«Was wollt Ihr, mein Kind?»
« Sind die Zimmer für die Signorina bereit?», rief die von oben hinunter.
« Ja, gleich», antwortete die andere und schwang einen Besenstiel.«Veronica poliert gerade noch die Spiegel und die Böden, und bald wird es in diesen Räumen aussehen wie zu Zeiten der Mutter unseres Herrn.»
« Ach herrje, wie alt Ihr seid», mischte sich Adriana ins Gespräch und beugte sich ebenfalls über den Fenstersims.«An
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