Ein Engel im Winter
jetzt tun willst?«
»Ja«, sagt sie ohne zu zögern.
Genau das liebt sie an ihm: diese Mischung aus Feingefühl und Aufmerksamkeit, die ihn zu etwas Besonderem macht.
Unbewusst spürt sie die Gewissheit: Wenn sie eines Tages Kinder haben möchte, dann nur mit ihm.
3. Januar 1983
Nathan, mein Geliebter,
die Weihnachtsferien sind schon zu Ende.
Ich war so glücklich, wenigstens kurze Zeit meine Nächte mit dir verbringen zu können.
Aber heute Abend bin ich traurig.
Du bist jetzt auf dem Weg nach Manhattan.
Heute Abend spüre ich, dass mir das Warten bis zu unserem Wiedersehen in den nächsten Ferien schwer fallen wird. Selbst wenn ich weiß, dass wir morgen miteinander telefonieren werden.
Ich habe Angst, dass alles zu Ende sein könnte. Denn was ich mit dir erlebe, ist außergewöhnlich. Ich liebe dich wahnsinnig.
Mallory
(Auf dem Umschlag hinterlässt sie mehrere Lippenstiftspuren und die Worte: Werfen Sie diesen Brief und alle diese Küsse in den Briefkasten von M. Nathan Del Amico, den ich vermisse. Und wehe Ihnen, wenn meine Küsse verwischt sind!)
6. Januar 1983
Mallory, mein süßer Kompass,
du fehlst mir, aber ich spüre deine Anwesenheit
überall um mich.
Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich danach sehne, dich wieder in meinen Armen zu halten und neben dir aufzuwachen.
Viele Küsse fliegen aus meinem Zimmer zu dir nach Cambridge.
Ich bete dich an.
Nathan
(In den Umschlag steckt er ein Foto, das er im Park auf dem Campus von Cambridge in den Weihnachtsferien von ihr gemacht hat. Auf die Rückseite hat er einen Satz aus Romeo und Julia geschrieben: Ach deine Augen drohn mir mehr Gefahr als zwanzig ihrer Schwerter.)
1984
Familiensitz in Boston
Hupgeräusche auf der Straße.
Sie wirft einen Blick durchs Fenster. Nathan wartet vor dem Portal am Steuer seines alten Mustangs.
Sie stürzt zur Tür, aber ihr Vater steht auf, um ihr den Weg zu versperren.
»Es kommt nicht in Frage, dass du weiterhin mit diesem Jungen ausgehst, Mallory.«
»Und darf ich erfahren, warum?«
»Weil es einfach nicht geht.«
Ihre Mutter versucht sie zur Vernunft zu bringen. »Liebling, du könntest einen Besseren haben.«
»Besser für wen? Für mich oder für euch?«
Sie geht auf die Tür zu, aber Jeffrey ist auf diesem Ohr taub. »Mallory, ich warne dich, wenn du durch diese Tür gehst …«
»Wenn ich durch diese Tür gehe … was ist dann? Wirfst du mich raus? Enterbst du mich? Was auch immer, euer Geld interessiert mich nicht …«
»Immerhin lebst du von diesem Geld, und dein Studium wird auch davon bezahlt. Es reicht jetzt, schließlich bist du immer noch ein kleines Mädchen!«
»Darf ich dich daran erinnern, dass ich zwanzig bin …«
»Ich rate dir, dich nicht mit uns zu überwerfen.«
»Und ich rate euch: Zwingt mich nicht, zwischen ihm und euch zu wählen.«
Sie lässt ein paar Sekunden verstreichen, damit die folgenden Worte noch wirkungsvoller klingen: »Denn wenn ich wählen muss, entscheide ich mich für ihn.«
Sie hält die Diskussion für beendet, verlässt das Haus und wirft die Tür hinter sich zu.
Sommer 1987
Ihre ersten richtigen Ferien im Ausland
Ein Garten in Florenz, der für seine Statuen berühmt ist
Sie stehen vor einem großen Springbrunnen, umgeben von Orangenbäumen, Feigen und Zypressen.
Die Wassertropfen schimmern in der Sonne und lassen kleine Regenbögen entstehen.
Sie wirft ein Geldstück ins Wasser und fordert ihn auf, dasselbe zu tun.
»Wünsch dir was.«
Er weigert sich.
»Ich glaub nicht an diese Dinge.«
»Los, Nat, wünsch dir was.«
Er schüttelt den Kopf, aber sie besteht darauf:
»Tu es für uns.«
Gutmütig holt er eine Hundert-Lire-Münze aus der Tasche, schließt die Augen und wirft sie in den Brunnen.
Sie konnte sich nichts anderes wünschen als das, was sie bereits hatte.
Nur dass es ewig dauern möge.
Für immer und ewig.
Sommer 1990
Ferien in Spanien
Sie befinden sich in den Labyrinth-Gärten von Barcelona.
Es ist ihr erster richtiger Streit.
Am Abend zuvor hat er ihr gesagt, dass er wegen seiner Arbeit zwei Tage früher zurückfahren müsse.
Sie befinden sich an einem der romantischsten Orte der Welt, und sie ist immer noch böse auf ihn.
Er will nach ihrer Hand greifen, aber sie läuft weg und betritt allein das grüne Gewirr des Labyrinths.
»Eines Tages wirst du mich vielleicht verlieren«, sagt sie, um ihn zu provozieren.
»Ich werde dich wiederfinden.«
Sie schaut ihn herausfordernd an.
»Du bist dir
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