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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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erklären können, dass sie nicht mit einem Übermenschen verheiratet sein wollte, es hätte nichts gebracht: Er fühlte sich unablässig verpflichtet, ständig mehr zu arbeiten, aus Angst, sie zu enttäuschen, dabei hatte sie das von Anfang an lediglich geärgert.
    Trotz alledem war sie ihm mit Haut und Haaren verfallen. Crazy about him, wie es im Lied heißt. Sie schloss die Augen und sah Bilder der Vergangenheit vor sich wie in einem Schmalfilm.

Kapitel 18
    Man ist nur einmal jung,
    aber man erinnert sich sein ganzes
    Leben lang daran.
    Zitat aus dem Film Liberty Heights
    von Barry Levinson

    1972
    Nantucket
    Sommeranfang
    Sie ist acht Jahre alt. Es ist ihre erste Begegnung. Am Abend zuvor ist sie aus Boston gekommen. An diesem Morgen streift sie durch den großen Garten der Familie. Sie trägt ein Baumwollkleid, das ihr bis über die Knie reicht und das sie nicht leiden kann. Bei dieser Hitze hätte sie lieber Shorts und ein Polohemd getragen, aber ihre Mutter zwingt sie immer dazu, sich wie ein Modepüppchen zu kleiden.
    Mehrere Male hat sie einen Jungen mit schönen schwarzen Haaren gesehen, der nicht mit ihr zu sprechen wagt und rasch wegrennt, wenn sie sich ihm nähert.
    Neugierig geworden fragt sie ihre Mutter, die ihr antwortet, sie möge ihn nicht beachten. Er sei »nur« der Sohn der Haushaltshilfe.
    Am Nachmittag sieht sie ihn am Strand wieder. Er spielt mit einem selbst gebastelten Drachen aus Bambusstäben und einem Stück Segeltuch, das er von einem Fischer bekommen hat. Um eine Führungsrolle für die Leine zu bauen, hat er einen alten Ring an eine ausrangierte Gardinenstange gehängt. Obwohl das Ding von Hand gefertigt ist, fliegt es bereits hoch am Himmel.
    Mallory hat auch ihren Drachen mitgebracht, ein ausgeklügeltes Modell, das man ihr in einem großen Spielzeugladen in Boston gekauft hat.
    Dennoch startete ihr Fluggerät nicht. So sehr sie sich auch abmüht, so schnell sie auch in jede Richtung läuft, der Drachen fällt unweigerlich immer wieder in den Sand.
    Selbst wenn der kleine Junge so tut, als sehe er sie nicht, merkt Mallory genau, dass er dauernd zu ihr hinschaut.
    Aber sie lässt sich nicht entmutigen und unternimmt einen neuen Versuch. Unglücklicherweise plumpst ihr schönes Spielzeug ins Wasser. Die Bespannung ist vollkommen durchnässt und voller Sand. Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
    Er kommt auf sie zu, ergreift die Initiative und legt ihr den Ring seines Drachens um das Handgelenk. Er erklärt ihr, dass man sich mit dem Rücken zum Wind stellen muss, dann hilft er ihr, locker zu lassen, nach und nach Leine zu geben. So steigt der Drachen sehr schnell zum Himmel empor.
    Sie jubelt vor Freude. Ihre Augen glänzen, und sie lacht laut.
    Um sein Wissen zu zeigen, erklärt er ihr später, dass die Chinesen dem Drachen die Macht zusprechen, das Glück anzuziehen. Um ihm nicht nachzustehen, erklärt sie ihm, dass Benjamin Franklin den Drachen benutzt hat, um den Blitz zu studieren und den Blitzableiter zu erfinden (was sie auf der Verpackung des Spielzeugs gelesen hat).
    Schließlich zeigt er ihr besonders stolz seinen Drachen aus der Nähe, damit sie das drollige Tier bewundern kann, das er auf das Segeltuch gemalt hat.
    »Das hab ich ganz allein gezeichnet.«
    »Ist das eine Schildkröte?«, fragt sie.
    »Nein, ein Drachen«, antwortet er ein wenig gekränkt.
    Erneut bekommt das kleine Mädchen einen Lachanfall. Ihre gute Laune ist ansteckend, und bald mischt sich das Lachen zweier Kinder mit dem Plätschern der Wellen.
    Ein Stück weiter ertönt aus einem in den Sand gestellten Transistorradio You’ve Got a Friend von Carole King; es ist einer der Hits dieses Sommers. Sie betrachtet ihn jetzt sehr aufmerksam und findet, dass er der niedlichste Junge ist, den sie je gesehen hat.
    Er stellt sich in feierlichem Ton vor:
    »Ich heiße Nathan.«
    Sie antwortet nicht weniger ernst:
    »Mein Name ist Mallory.«
    Herbst 1972
    Nantucket
    »Nat!«
    Stoßweise spuckt sie das Wasser aus, das der See ihr in den Mund spült. Starr vor Kälte fällt ihr das Atmen immer schwerer. Zweimal hat sie vergeblich die Arme ausgestreckt, in der Hoffnung, einen Ast fassen zu können, aber das Ufer ist zu steil.
    Dem Ersticken nahe, spürt sie voller Entsetzen, dass sie ertrinken wird. Aber Nathan schwimmt in ihre Richtung. Sie weiß, dass er ihre letzte Rettung ist.
    »Halt dich an mir fest, hab keine Angst.«
    Völlig erschöpft klammert sie sich an ihn wie an eine Rettungsboje. Plötzlich fühlt sie

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