Ein Erzfeind zum Verlieben
Stidham?«
»Mylord?«
»Sie sind jetzt schon seit einigen Jahren bei mir auf Haldon Hall.«
»In der Tat.«
»Was …« Er zögerte und überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, die Frage so zu formulieren, dass er sich nicht völlig zum Esel machte – und kam zu dem Schluss, dass es keine solche Möglichkeit gab. »Welche Farbe haben die Augen des Kobolds?«
»Miss Browning?« Falls Stidham die Frage überraschte oder erheiterte, so war er zu würdevoll, um es sich anmerken zu lassen. »Ich glaube, sie sind von einem sehr dunklen Braun, Mylord.«
»Von einem sehr dunklen Braun«, wiederholte er. »Wäre das eine andere Art, ›schokoladenfarben‹ zu sagen?«
»Vermutlich.«
In den frühen Morgenstunden, als alle anderen noch schliefen, standen in der dunkelsten Ecke der Bibliothek ein Mann und eine Frau und unterhielten sich hastig flüsternd.
»Ist es das?«, fragte der Mann und griff nach der kleinen, in braunes Papier gewickelten Schachtel, die die Frau in der Hand hielt.
»Ja.« Sie zog die Hand zurück und aus seiner Reichweite. »Ich verlange Ihr Wort, dass dies nicht zurückkehren wird, um meine Familie heimzusuchen.«
»Ich würde es Ihnen gern geben«, sagte er sanft. »Nichts täte ich lieber, aber Whit wird entscheiden müssen, was geschehen soll.«
Sie nickte und drückte ihm das Päckchen in die Hand.
»Sie haben großen Glauben in den Jungen«, murmelte er.
»Wenn man Vertrauen und Respekt hat, wird Glaube irrelevant.«
»Dann steht zu hoffen, dass unser Vertrauen nicht unangebracht ist.«
7
Mirabelle hatte nicht viel Erfahrung mit übermäßigem Alkoholgenuss, daher konnte sie es nicht gebührend würdigen, dass sie am nächsten Morgen frisch und munter erwachte, doch Wohlbefinden an einem schönen Frühlingstag wusste sie auf allgemeine Weise durchaus zu schätzen. Sie war zwar ein wenig benommen, aber das ließ sich mit einer Tasse heißer Schokolade und etwas frischer Luft leicht beheben.
Sie mied die Gäste im Frühstücksraum und zog es vor, ihre Tasse von der Küche zu einer kleinen Bank im Garten zu tragen. Gegenwärtig war ohnehin niemand auf, mit dem sie hätte sprechen wollen. Kate, Evie und Sophie lagen alle noch in ihren Betten. Die ersten beiden freiwillig und Letztere ohne Zweifel aufgrund eines überfürsorglichen Ehemannes. Es würde noch eine Stunde vergehen, vielleicht auch zwei, ehe eine der drei Frauen aus ihrem Zimmer auftauchen würde.
Als sie auf Zehenspitzen am Frühstücksraum vorbeigeschlichen war, hatte sie Lady Thurstons weiche Stimme zwischen denen der Gäste und Whits tieferer Stimme gehört, aber sie fühlte sich noch nicht bereit, einem von beiden gegenüberzutreten.
Angenehme Konversation mit einem Mann zu führen, vor dessen bloßen Anblick es ihr mehr als die Hälfte ihres Lebens gegraust hatte …
Nein … nein, das stimmte nicht ganz.
Nachdenklich nippte sie an ihrer heißen Schokolade. Es hatte ihr nie vor Whits Anblick gegraust. Sie konnte sich nicht entsinnen, dass sie irgendwann auch nur unglücklich gewesen war, ihn zu sehen. Unglücklich schien sie vielmehr immer dann zu sein, wenn sie mit ihm zusammen war – verärgert, gereizt, zornig, fuchsteufelswild und … und erfreut, wie ihr mit einem Mal klar wurde.
Stets war sie zumindest ein klein wenig erfreut in ihrem Ärger, ihrer Gereiztheit oder ihrem Zorn gewesen.
Sie stellte die Tasse unsanft auf ihr Knie und merkte es nicht einmal, dass über den Rand ein wenig Schokolade auf ihr Kleid schwappte.
Gütiger Gott, was war nur los mit ihr? Was für ein Mensch genoss es, geärgert zu werden – und andere zu ärgern?
Sie dachte eingehend darüber nach und befand, dass es ein Mensch war wie Whit.
Sie war schließlich nicht allein verantwortlich für ihre andauernde Rivalität, und sie war gewiss nicht die Einzige, der diese Rivalität Vergnügen bereitete. Er hatte ihre Streitigkeiten genauso oft vom Zaun gebrochen wie sie, und sie konnte sich recht lebhaft an mehr als eine Gelegenheit erinnern, bei der er sich ganz offensichtlich blendend amüsiert hatte, als sie mit Beleidigungen und Beschimpfungen aufeinander losgegangen waren.
Sie atmete tief aus und rieb sich über den Oberschenkel.
Sie waren alle beide verrückt. So einfach war das. Das zu vermeiden, würde zweifellos sehr viel schwieriger sein, aber Lady Thurston wünschte es. Sich der Gräfin zu widersetzen, wäre in Mirabelles Augen nicht nur verrückt, sondern schlichtweg dumm gewesen. Sie zog es vor, nicht beides an
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