Ein Fall für Al Wheeler
Rathaus war, was
ein Glück bedeutete. Sergeant Polnik kam mit
bekümmertem Gesicht hereingestolpert.
»Lieutenant?« Seine Stirn war
schreckenerregend gefurcht, und ich widmete ihm meine ganze Aufmerksamkeit,
weil ich immer das nervösmachende Gefühl nicht
loswerde, daß, wenn er je drei voneinander getrennte Gedanken am Tag aufbringen
sollte, es in seinem Kopf ein surrendes Geräusch geben und alles
auseinanderfallen müßte.
»Was kann ich für Sie tun,
Sergeant ?« fragte ich mitfühlend.
»Nun, der Sheriff sagt, ich
soll Ihnen bei diesem Selbstmordfall helfen .« Er
brütete einen Augenblick lang vor sich hin. »Ich weiß nicht, wonach wir
eigentlich suchen, Lieutenant... und das macht mir Sorge .« Er zögerte eine Sekunde, um sicher zu sein, daß er seine Meinung kristallklar
ausdrückte. »Ich meine, es wäre mir viel lieber, wenn Sie mir sagen würden, was
ich tun soll, Lieutenant. Ich sitze seit gestern morgen hier herum und warte, und nun mache ich mir Sorgen über die Art, wie mich der
Sheriff jedesmal anschaut, wenn er vorübergeht .«
» Polnik «,
sagte ich bedrückt, »ich habe Sie vernachlässigt .«
Ich zermarterte mir das Gehirn,
womit ich ihn beschäftigen sollte und hatte dann eine plötzliche Inspiration.
»Sehen Sie das hier ?« Ich deutete auf den Aktenstoß, der auf dem Schreibtisch
lag.
»Klar, Lieutenant.« Seine Augen
glänzten plötzlich. »He! Ich hab’s — Portologie !«
» Por ...
was?«
»Schmutzige Bücher«, sagte Polnik im Ton selbstgefälliger Überlegenheit. »So nennt man
das mit dem richtigen Namen, Lieutenant — deshalb haben Sie auch alle diese
einfachen Einbände. Nicht?«
»Sergeant, das hier ist Ihre
große Chance«, sagte ich verzweifelt — jede Erklärung wäre fatal gewesen, das
wußte ich. »Das hier sind Unterlagen aus einem Klub einsamer Herzen. Jeder
einzelne Bogen betrifft eine Frau, und Sie sollen bei allen Erkundigungen
einziehen .«
Polnik gaffte mich ein paar Sekunden
lang an, wobei sein Unterkiefer schlaff herunterhing, dann breitete sich
langsam seliges Lächeln über seinem Gesicht aus.
»Ich wußte, daß das einmal so
kommen würde«, sagte er einfach. »Wenn ich nur in Ihrer Nähe bliebe, Lieutenant
Wheeler, so würde ich eines Tages an die Aufklärung eines Falles geraten, wo
ich an all die schönen Frauen auf einmal herankommen würde! Himmel !« Er zog ein großes Taschentuch heraus und schneuzte sich gefühlvoll.
»Alle diese Frauen haben eines
gemeinsam«, fuhr ich fort, »für alle wurde von dem Klub der einsamen Herzen aus
eine Verabredung mit demselben Mann arrangiert — Harvey Stern. Bringen Sie die
Mädchen dazu, von Stern zu reden — ich könnte mir denken, daß er der Bursche
ist, hinter dem wir her sind. Lassen Sie Ihre Technik sprechen, Polnik — sorgen Sie dafür, daß sie ihre kleinen Herzen bei
Ihnen ausschütten — keine Geheimnisse vor Ihnen mehr haben. Ja?«
Polniks Augen wurden bei dem Gedanken
glasig. »Sie können sich auf mich verlassen, Lieutenant«, sagte er
nachdrücklich. »Wenn ich mit all diesen Mädchen fertig bin, gibt es keine
Geheimnisse mehr zwischen ihnen und mir .«
Er legte die Aktendeckel mit
liebevoller Sorgfalt zu einem ordentlichen Stapel aufeinander und trug sie aus
dem Büro. Ich dachte, er würde nun für die nächsten zwei Tage ausreichend
Arbeit haben — ebenso lange, wie er sonst zu schlafen pflegte. Er hatte
dieselben Schwierigkeiten wie ich: Wenn Arbeit Frauen bedeutete, so wurde er
restlos von ihnen absorbiert.
Ich rief im Club Extravaganza an und wollte mit Mr. Rovak sprechen. Das
Frauenzimmer, das den Anruf entgegennahm, hatte eine Stimme wie eine stumpfe
Feile, die über ein rostiges Blech kratzt.
»Er ist nicht da«, sagte sie
laut. »Wer ist am Apparat ?«
»Was Sie nicht alles wissen
wollen«, sagte ich und legte auf.
Im Telefonbuch stand seine
Privatadresse. Er wohnte draußen am Strand. Ich überlegte, daß die fünfzehn
Kilometer dorthin an einem sonnigen Nachmittag unmittelbar nach dem Lunch keine
Zeitverschwendung waren. Es würde meinen Neurosen ebensogut tun wie den Zündkerzen des Austin Healey. Bevor ich das Büro verließ, rief ich
Captain Johns in der Mordabteilung an und bat ihn, er möchte Rovak , Loomas und Stern
überprüfen lassen und nachsehen, ob sie vorbestraft seien. Johns sagte okay, das mache keine weitere Mühe, und fragte, wie
mir das Dasein im Büro des Sheriffs zusage. Ich erklärte, es sei sehr angenehm,
sofern man zufällig Sheriff wäre —
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