Ein Fall für Al Wheeler
»beim Boot. Tun Sie uns den Gefallen und fallen Sie über
Bord. Ja?«
»Ich begreife einfach nicht,
weshalb ihr Mädchen mich nicht leiden könnt«, sagte ich sorgenvoll. »Es ist
nicht meine Schuld, daß ich ein Polyp bin, ich hatte keine andere Wahl —
entweder mußte ich das werden oder mir meinen Lebensunterhalt erarbeiten .«
»Ein Polyp und Komiker auch
noch!« Dolores schlug flehend die Augen zum Himmel. »Jetzt wird er gleich mit
dieser >Hört-mal-was-mir-heute-abend-auf-meinem-Weg-zum-Beerdigungsinstitut-passiert-ist<-Masche
ankommen !«
»Ich finde, er sieht gar nicht
wie ein Polyp aus — und noch viel weniger wie ein Komiker«, sagte Lena
nachdenklich. »Mehr so wie einer dieser gewissen Zirkus-Clowns — die lebende
Frösche essen oder solch gräßliche Dinge tun.«
»Dolores«, sagte ich mit großer
Würde, »bitten Sie Ihre Mutter, solche geschmacklosen Bemerkungen über meine
Person zu unterlassen. Ich bin sehr sensibel .«
»Mutter?« Lena verschluckte
sich beinahe. »Na, Sie — Sie.... Ich kratze Ihnen die Augen aus !«
Sie kam auf mich zu, als wäre
sie soeben von einem Flugzeugträger aus katapultiert worden. Ihre Finger waren
gekrümmt wie Krallen, und die silbern gefärbten Fingernägel fuhren auf mein
Gesicht zu. Ich ließ sie mit dem Gesicht in die Innenfläche meiner
ausgestreckten Hand rennen und stieß dann leicht zu. Der Zeitpunkt war richtig
berechnet, und sie legte plötzlich den Rückwärtsgang ein, ohne auch nur einen
Schritt auszulassen — eben hatte sie sich noch mit äußerster Schnelligkeit auf
mich zu bewegt, um sich im nächsten Augenblick ebenso schnell wieder von mir zu
entfernen. Die ersten fünf Rückwärtsschritte tat sie auf festem Beton, den
sechsten in der Luft und den siebten im Swimming-pool .
Lena schrie einmal auf, ihre Arme ruderten hilflos herum, als sie das
Gleichgewicht verlor, und dann verschwand sie unter der Oberfläche des Wassers,
unter Hinterlassung einiger Luftblasen zur bleibenden Erinnerung.
Ich hörte einen tiefen
stöhnenden Laut neben mir, blickte hinab und sah Dolores, die sich vor
Gelächter auf ihrem Liegestuhl wand .
»Ich — weiß nicht — ob sie
schwimmen — kann«, brachte sie schließlich unter großer Anstrengung hervor.
»Darüber würde ich mir keine
Sorgen machen«, sagte ich beruhigend. »Wir werden es gleich feststellen .«
Lenas Kopf erschien gleich
darauf über der Wasseroberfläche. Sie hielt sich mit beiden Händen an der
Seitenwand des Schwimmbeckens fest, ruhte sich einen Augenblick lang aus und
zog sich dann auf die Betonumrandung herauf. Ihr Haar klebte eng am Kopf, und
ihr Make-up hatte sich aufgelöst und bildete ein eigenartiges Muster von
Flecken auf ihrem Gesicht, so daß sie wie ein Sioux
auf Kriegspfad aussah — vielleicht entsprach das auch den Tatsachen.
»Schwimmen !« Ich schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Lena — in Ihrem Alter!«
Ihr Gesicht verzerrte sich in
vulkanartigem Zorn, und sie öffnete den Mund, um mich stehenden Fußes seelisch
zu vernichten, aber das einzige, was herauskam, war Wasser. Lena begriff
schnell. Sprechen, schreien, kreischen — zu allem brauchte sie in erster Linie
Luft. Sie schöpfte tief Atem, so tief, wie ich es bisher noch bei keinem
Menschen erlebt hatte, und ich glaube, es war gar nicht ihre Schuld. Wie konnte
sie wissen, daß ihr Badeanzug nicht dafür gedacht war, naß zu werden?
Die im Zickzack verlaufende
Spitze spannte sich plötzlich, bis sie aussah, als würde sie in Lenas Fleisch
versinken, aber ihre Zugfestigkeit hielt einfach dem Fassungsvermögen von Lenas
Lungen nicht stand. Es gab einen scharfen knackenden Laut, als die Spitze an
drei verschiedenen Stellen riß, und das veränderte die Form des Badeanzugs mit
größter Geschwindigkeit. Statt des V-Ausschnitts, der bis zum Nabel reichte,
gab es jetzt einen großzügigen U-Ausschnitt, der ebenfalls bis zum Nabel
reichte. Meine vor kurzem getroffene gedankliche Korrektur erwies sich als
zutreffend — Lena war ein
sehr gut entwickeltes Mädchen — und wenn ich ein Paar » Pastetenhüllen «
in der Tasche gehabt hätte, würde ich sie ihr auf der Stelle geliehen haben.
»Lena — nicht doch !« schrie Dolores hysterisch und brach erneut auf ihrem
Liegestuhl zusammen. »Du bringst mich um !« Ihr
gesamter Körper zitterte hemmungslos in einem wilden Lachkrampf.
Lena warf einen entsetzten Blick
auf ihre Vorderseite und tat dann das einzige, was eine Lady unter diesen
Umständen tun konnte — sie sprang
Weitere Kostenlose Bücher