Ein Fall für Kay Scarpetta
postnatale Entwicklung normal, die Symptome setzen zeitweilig aus, und die Krankheit kann mit einer eiweißarmen Diät behandelt werden; möglicherweise auch durch Zusätze in der Ernährung - speziell Thiamin oder Vitamin B l in einer zehnfachen Dosierung des normalen täglichen Bedarfs."
Wesley beugte sich vor und runzelte die Stirn, als er die Seite überflog. "Mit anderen Worten", sagte er dann, "er könnte an der leichteren Form leiden, ein mehr oder weniger normales Leben führen, intelligent sein - aber stinken?"
Ich nickte. "Der eindeutigste Hinweis auf die Ahornsirupkrankheit ist ein charakteristischer Geruch, ein ganz besonderer ahornsirupartiger Geruch des Urins und des Schweißes. Die Symptome werden stärker, wenn er unter Streß steht, der Geruch wird penetranter, wenn er das tut, was ihn am meisten belastet, das heißt, wenn er diese Morde begeht. Der Geruch dringt in seine Kleider. Er ist sicher schon seit langem durch dieses Problem gehemmt."
"Würde man es nicht auch in der Samenflüssigkeit riechen?" fragte Wesley.
"Nicht unbedingt."
"Nun", sagte Abby, "wenn er diesen Körpergeruch hat, dann muß er ziemlich oft duschen. Wenn er mit anderen Leuten zusammenarbeitet. Sie würden diesen Gestank wahrnehmen." Ich antwortete nicht.
Sie wußte nichts von dem glitzernden Rückstand, und ich würde es ihr nicht erzählen. Wenn der Mörder diesen chronischen Geruch hatte, dann wäre es nicht ungewöhnlich für ihn, das ständige Bedürfnis zu haben, sich die Arme, das Gesicht und die Hände zu waschen, mehrmals am Tag. Er könnte sich auf der Arbeit waschen, wo sich möglicherweise ein Borawasch-Seifenspender in der Herrentoilette befand.
"Es ist ziemlich riskant." Wesley lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Jesus." Er schüttelte den Kopf. "Wenn der Geruch, den Petersen erwähnte, eingebildet war oder er ihn mit einem anderen Geruch verwechselte - vielleicht ein Parfüm, das der Mörder an sich hatte -, werden wir wie Idioten dastehen. Und der Mistkerl wird ganz sicher sein, daß wir keine Ahnung haben, was wir eigentlich tun."
"Ich glaube nicht, daß Petersen sich den Geruch nur eingebildet hat", sagte ich mit Überzeugung. "Es war so ein Schock für ihn, die Leiche seiner Frau zu finden, daß der Geruch ungewöhnlich und stark gewesen sein mußte, damit er ihn wahrnehmen und sich daran erinnern konnte. Mir fällt nicht ein einziges Parfüm ein, das wie schweißiger Ahornsirup riecht. Ich habe die Vermutung, daß der Mörder extrem geschwitzt hat und daß er das Schlafzimmer vielleicht nur Minuten, bevor Petersen kam, verlassen hatte."
"Die Krankheit führt zu Retardierung ..." Abby blätterte das Buch durch.
"Wenn sie nicht gleich nach der Geburt behandelt wird", wiederholte ich.
"Nun, dieser Bastard ist nicht retardiert." Sie sah mich mit harten Augen an.
"Natürlich ist er das nicht", stimmte Wesley zu. "Psychopathen sind alles andere als dumm. Wir wollen erreichen, daß der Kerl denkt, wir hielten ihn für dumm. Wir wollen ihn da treffen, wo er empfindlich ist - in seinem verdammten Stolz, der von den großartigen Bemerkungen über seinen außergewöhnlichen IQ genährt wird."
"Diese Krankheit", erklärte ich ihnen, "kann dazu führen. Wenn er sie hat, da nn wird er es wissen. Möglicher weise gibt es in seiner Familie weitere Fälle. Er wird hypersensibel sein, nicht nur was seinen Körpergeruch betrifft, sondern auch wegen der geistigen Störungen, zu denen diese Krankheit bekanntermaßen führen kann."
Abby machte sich Notizen. Wesley starrte auf die Wand, sein Gesicht war angespannt.
Frustriert seufzte er: "Ich weiß nicht, Kay. Wenn der Kerl diese Ahornsirupwasauchimmer nicht hat..." Er schüttelte den Kopf. "Dann wird er uns bald auf die Schliche kommen. Es könnte die Ermittlungsarbeiten zurückwerfen. "
"Du kannst nichts zurückwerfen, was bereits mit dem Rücken an der Wand steht", sagte ich gelassen. "Ich habe nicht die Absicht, den Namen dieser Krankheit in dem Artikel zu erwähnen."
Ich wandte mich zu Abby; "Wir werden von einer Stoffwechselkrankheit reden. Das kann vieles sein. Es wird ihn beunruhigen. Vielleicht ist es etwas, von dem er gar nicht weiß, daß er es hat. Vielleicht glaubt er, vollkommen gesund zu sein? Wie kann er sicher sein? Seine Körpersekrete sind vorher nie von einem Team von Gentechnikern untersucht worden. Selbst wenn der Kerl ein Arzt ist, kann er die Möglichkeit nicht ausschließen, daß er irgendeine Abnormität hat, die darauf wartet, wie eine
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