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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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europäischen Lederschuhen, die er trug. Selbst seine indigoblauen Schürzen, die er mitbrachte und selbst wusch, waren modisch. Er flirtete nicht. Es störte ihn nicht, wenn eine Frau ihm sagte, was er tun sollte. Er schien nie besonders daran interessiert zu sein, wie ich aussah. Ich hatte mich mittlerweile so an seine Präsenz gewöhnt, daß ich es kaum bemerkte, wenn er einmal in den Umkleideraum kam, während ich meine Schürze wechselte, was selten vorkam.
    Ich nehme an, wenn ich mir Gedanken über seine Vorlieben gemacht hätte, als er sich vor ein paar Wochen um die Stelle bewarb, hätte ich ihn vielleicht nicht so begeistert eingestellt. Das war etwas, was ich nicht gern zugab.
    Aber man konnte nicht einfach alles in eine Schublade stecken, nur weil ich hier die schlimmsten Beispiele jeder Todesart sah. Da waren die Transvestiten mit ihren Brusteinlagen und gepolsterten Hüften und die Schwulen, die in eifersüchtige Wut ausbrachen und ihre Liebhaber ermordeten, und die Kinde rschänder, die die Parks und Spielhallen unsicher machten und ihrerseits von schwulenfeindlichen Fanatikern aufgeschlitzt wurden.
    Da waren die Sträflinge mit ihren obszönen Tätowierungen und den Geschichten über Sodomie mit allem, was zwei Beine hat in den Zellblöcken, und da waren die Prostituierten in den Badehäusern und Bars, die sich einen Dreck darum scherten, wer sonst noch Aids bekam.
    Wingo paßte da nicht rein. Wingo war nur Wingo.
    "Kommen Sie jetzt allein zurecht?"
    Er wusch sich wütend die behandschuhten, blutigen Hände.
    "Ich mache es fertig", antwortete ich abwesend und nahm die Messung eines großen Risses in der Schädeldecke wieder auf. Er ging zu einem Schränkchen und sammelte dabei Spraydosen mit Desinfektionsmittel, Lumpen und andere Gegenstände auf, die er zum Saubermachen verwendete. Er streifte sich einen Kopfhörer über die Ohren und stellte den Walkman an, der an dem Gürtel seiner Schürze hing, um sich für einen Moment von der Welt auszuschließen.
    Fünfzehn Minuten später reinigte er einen kleinen Kühlraum im Sektionssaal, in dem Beweismaterial über das Wochenende gelagert wurde. Ich nahm kaum wahr, daß er etwas herauszog, was er lange anschaute.
    Als er zu meinem Tisch herüberkam, trug er seinen Kopfhörer wie eine Kette um den Hals und hatte einen fragenden, beklommenen Gesichtsausdruck. Er hielt eine kleine Mappe mit Objektträgern von einem PERK in der Hand.
    "Äh, Dr. Scarpetta", sagte er und räusperte sich, "das war im Kühlraum."
    Er erklärte nichts. Es war nicht nötig.
    Ich legte das Skalpell weg, und mein Magen krampfte sich zusammen. Auf der Map pe stand eine gedruckte Fall nummer, Name und Datum der Autopsie von Lori Petersen - deren Beweismaterial, alles, vor vier Tagen abgegeben worden war.
    "Sie haben das im Kühlraum gefunden?" Irgend etwas konnte nicht stimmen.
    "Hinten, im untersten Fach." Zögernd fügte er hinzu: "Äh, es ist nicht abgezeichnet, Sie haben es nicht abgezeichnet."
    Es mußte eine Erklärung dafür geben.
    "Natürlich habe ich es nicht abgezeichnet", reagierte ich scharf. "Ich habe nur einen PERK in ihrem Fall angelegt, Wingo." Noch während ich die Worte aussprach, flackerten Zweifel in mir auf und ich versuchte, mich zu erinnern.
    Ich hatte Lori Petersens Proben über das Wochenende im Kühlraum gelagert, zusammen mit allen anderen Proben der Fälle vom Samstag. Ich erinnerte mich genau daran, die Proben persönlich am Montag morgen zu den Labors gebracht zu haben, dabei war auch eine Mappe mit Objektträgern, auf denen sich anale, orale und vaginale Abstriche befanden. Ich war sicher, daß ich nur eine Mappe benutzt hatte. Ich hatte nie eine Mappe offen nach oben geschickt - sie waren immer in einem Plastikbeutel zusammen mit den Abstrichen, Umschlägen mit Haaren, Teströhrchen und allem anderen.
    "Ich habe keine Ahnung, wo das herkommt", sagte ich zu ihm. Er verlagerte unbehaglich sein Gewicht auf den anderen Fuß und blickte zur Seite. Ich wußte, daß er nachdachte. Ich hatte etwas vermasselt, und er haßte es, derjenige zu sein, der es mir mitteilen mußte.
    Die Gefahr war immer vorhanden gewesen. Wingo und ich hatten schon zahlreiche Male in der Vergangenheit darüber gesprochen, seit Margaret den PC im Sektionssaal mit den Etikettierprogrammen gefüttert hatte.
    Bevor einer der Pathologen mit einem Fall begann, ging er zu diesem PC und tippte Informationen über den Verstorbenen ein, dessen Autopsie durchgeführt werden würde. Eine Serie von

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