Ein Fall für Kay Scarpetta
allem, was Sie sonst noch abgenommen hatten. Es war alles von einem Nonsekretor, paßte zusammen. Das muß ein anderes Präparat sein, von dem Sie vergessen haben, daß Sie es anfertigten."
Noch ein Anflug von Zweifel. Ich hatte nur eine Mappe angelegt, oder? Könnte ich es beschwören? Der letzte Samstag schien wie im Nebel zu liegen. Ich konnte mich nicht mit Sicherheit an jeden meiner Schritte erinnern.
"Hier waren also keine Abstriche dabei, richtig?" fragte sie.
"Keine", antwortete ich. "Nur diese Mappe mit Objektträgern. Das ist all es, was Wingo gefunden hat."
"Hm." Sie dachte nach. "Lassen Sie uns nachsehen, was wir hier vorliegen haben."
Sie legte jedes Präparat unter das Phasenkontrastmikroskop, und nach einer langen Stille sagte sie: "Da sind große Plattenepithelzellen, was bedeutet, daß es ein orales oder vaginales, aber kein anales Präparat sein kann. Und" - sie sah auf - "ich sehe keine Spermien."
"Großer Gott", stöhnte ich.
"Versuchen wir es noch einmal", antwortete sie.
Sie riß eine Packung sterilisierter Wattestäbchen auf, befeuchtete sie mit Wasser und fing an, sie vorsichtig, eines nach dem anderen, über einen Teil des Abstriches auf jedem Objektträger zu rollen - drei insgesamt. Als nächstes strich sie die Watteträger auf kleinen Kreisen von weißem Filterpapier ab. Sie nahm die Pipetten heraus und träufelte geschickt Naphtylsäurephosphat auf das Filterpapier. Dann kam das Fast-Blue-B-Salz. Wir starrten darauf und warteten auf den ersten pinkfarbenen Schimmer.
Die Abstriche reagierten nicht. Sie befanden sich in kleinen nassen Flecken und quälten mich. Ich fuhr fort, sie anzustarren, länger, als sie normalerweise benötigten, um zu reagieren, als ob ich sie irgendwie dazu bewegen könnte, eine positive Reaktion für Samenflüssigkeit zu zeigen. Ich wollte glauben, daß dies eine zweite Serie von Präparaten war. Ich wollte glauben, daß ich zwei PERKs in Loris Fall gemacht hatte und mich nur nicht mehr daran erinnerte. Ich wollte alles glauben, außer dem, was langsam offensichtlich wurde.
Die Objektträger, die Wingo gefunden hatte, waren nicht von Loris Fall. Sie konnten es nicht sein.
Bettys bewegungsloses Gesicht sagte mir, daß sie ebenfalls besorgt war und alles versuchte, mich das nicht merken zu lassen.
Ich schüttelte den Kopf.
Sie war gezwungen, eine Schlußfolgerung zu ziehen: "Also sieht es nicht so aus, als wären diese hier von Loris Fall." Eine Pause. "Ich werde tun, was ich kann, um sie einzuordnen, natürlich. Suche nach Barrkörperchen und all so was."
"Bitte." Ich atmete tief ein.
Sie arbeitete weiter und versuchte, mich zu beruhigen: "Die Flüssigkeiten, die ich aus den Sekreten des Mörders gewonnen habe, stimmten mit Loris Blutproben überein. Ich glaube nicht, daß Sie sich Sorgen machen müssen. Es besteht meiner Meinung nach kein Zweifel, was die erste Serie angeht... "
"Die Frage taucht auf " , sagte ich elend.
Die Anwälte wären überglücklich. Großer Gott, würden die sich freuen. Sie hätten ein Gericht, daß anzweifeln würde, daß irgendeine der Proben überhaupt von Lori stammte, die Blutproben eingeschlossen. Sie hätten ein Gericht, das sich fragen müßte, ob die Proben, die nach New York zur DNS-Untersuchung geschickt worden waren, die richtigen waren. Wer konnte sagen, daß sie nicht von einer anderen Leiche stammten?
Meine Stimme zitterte, als ich sagte: "Wir hatten sechs Fälle an jenem Tag, Betty. Bei dreien davon war ein PERK erforderlich, es waren mögliche Vergewaltigungen."
"Alle weiblich?"
"Ja", murmelte ich. "Es waren alles Frauen." Bill hatte am Mittwoch abend, als er müde und seine Zunge durch Alkohol gelöst war, etwas gesagt, was mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Was würde mit diesen Fällen geschehen, wenn meine Glaubwürdigkeit beeinträchtigt wäre? Es würde nicht nur Loris Fall in Frage gestellt werden, sondern alle anderen auch. Ich stand in der Ecke, und es gab keinen Ausweg. Ich konnte nicht so tun, als exi stiere diese Mappe nicht. Sie existierte, und das bedeutete, daß ich vor Gericht nicht ehrlich schwören konnte, daß die Beweiskette intakt war.
Es gab keine zweite Chance. Ich konnte die Proben nicht noch einmal nehmen, mit dem Abkratzen angefangen. Loris Proben waren bereits mit Boten in die New Yorker Laboratorien gebracht worden. Ihr einbalsamierter Leichnam war am Dienstag begraben worden. Eine Exhumierung stand außer Diskussion. Es würde nichts bringen. Es wäre auf jeden Fall ein
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