Ein Fall für Kay Scarpetta
sensationelles Ereignis, das die öffentliche Neugier erregen würde. Jeder würde wissen wollen, warum.
Betty und ich schauten zur Tür, als Marino wie zufällig hereinkam.
"Ich hatte gerade einen verrückten Gedanken, Doc."
Er machte eine Pause, sein Gesicht war hart, als seine Augen zu den Präparaten und dem Filterpapier auf dem Tisch wanderten. Ich starrte ihn benommen an.
"Ich würde an Ihrer Stelle diese PERKs zu Vander hinüberbringen. Vielleicht haben Sie sie im Kühlraum vergessen. Vielleicht aber auch nicht."
Ein beunruhigendes Gefühl zog durch meine Adern, als ich plötzlich verstand.
"Was?" fragte ich, als ob ich verrückt wäre. "Jemand anders hat es hineingetan?"
Er zuckte mit den Achseln. "Ich meine nur, Sie sollten jede Möglichkeit in Betracht ziehen."
"Wer?"
"Keine Ahnung."
"Wie? Wie könnte das möglich sein? Jemand müßte in den Sektionssaal hineingekommen sein, müßte Zugang zu dem Kühlraum gehabt haben. Und die Mappe ist etikettiert ... "
Die Etiketten: langsam verstand ich es. Die computergefertigten Etiketten, die von Loris Autopsie übriggeblieben waren. Sie waren in ihrer Akte. Niemand war an ihrer Akte gewesen, außer mir - und Amburgey, Tanner und Bill.
Als die drei Männer mein Büro am frühen Montag abend verlassen hatten, waren die Eingangstüren mit Ketten verschlossen gewesen. Alle gingen durch die Leichenhalle hinaus. Amburgey und Tanner waren zuerst gegangen, Bill etwas später. Der Sektionssaal war verschlossen gewesen, aber der Kühlraum nicht. Wir mußten den Kühlraum unverschlossen lassen, damit Begräbnisinstitute und Rettungsmannschaften nach Büroschluß noch die Leichen bringen konnten. Der Kühlraum hatte zwei Türen, eine führte auf den Gang, eine andere in den Sektionssaal. War einer der Männer durch den Kühlraum in den Saal gegangen? Auf einem Regal neben dem ersten Tisch lagen Stapel von Testsätzen, auch Dutzende von PERKs. Wingo achtete immer darauf, daß die Regale aufgefüllt waren.
Ich nahm das Telefon und gab Rose den Befehl, meinen Schreibtisch aufzuschließen und Lori Petersens Akte aufzuschlagen. "Es müßten einige Etiketten darinnen liegen", sagte ich zu ihr.
Während sie nachsah, versuchte ich, mich zu erinnern. Es waren sechs, vielleicht sieben Etiketten übrig gewesen, nicht weil ich nicht viele Proben genommen hatte, sondern weil ich so viele genommen hatte - fast doppelt so viele wie sonst -, weshalb ich nicht eine, sondern zwei Serien von Etiketten vom Computer ausdrucken ließ. Übrig sein mußten die Etiketten für Herz, Lunge, Nieren und andere Organe und eines für eine PERK.
"Dr. Scarpetta?" Rose war zurück . "Die Etiketten sind hier."
"Wie viele?"
"Lassen Sie mich sehen. Fünf."
"Wofür?"
Sie antwortete: "Herz, Lunge, Milz, Galle und Leber." "Das ist alles?"
"Ja."
"Sind Sie sicher, daß keines für einen PERK dabei ist?"
Eine Pause. "Ich bin sicher. Nur diese fünf."
Marino sagte: "Wenn Sie das Etikett auf diesen PERK geklebt haben, dann müßten Ihre Fingerabdrücke drauf sein, schätzungsweise."
"Nicht, wenn sie Handschuhe getragen hat", erwiderte Betty, die das alles mit Bestürzung beobachtete.
"Ich trage gewöhnlich keine Handschuhe, wenn ich etwas etikettiere", murmelte ich. "Sie sind blutig. Die Handschuhe sind blutig."
Marino fuhr gelassen fort: "Okay. Also haben Sie keine Handschuhe getragen und Dingo hat -"
"Wingo", unterbrach ich ihn gereizt. "Sein Name ist Wingo!"
"Egal." Marino drehte sich um, um zu gehen. "Tatsache ist, Sie haben den PERK mit bloßen Händen angefaßt, was bedeutet, daß Ihre Fingerabdrücke drauf sein müßten." Vom Korridor her fügte er hinzu: "Aber vielleicht sind auch noch andere drauf, die nicht drauf sein müßten. "
10
Es gab aber keine anderen Fingerabdrücke. Die einzigen identifizierbaren Abdrücke auf der Mappe waren meine. Da waren ein paar Fleck en - und etwas so vollkommen Unerwartetes, daß ich für den Moment völlig vergaß, aus welchem Grund ich zu Vander gegangen war.
Er tastete die Mappe mit dem Laser ab, und die Pappe leuchtete auf wie ein Nachthimmel voller punktförmiger Sterne.
"Das ist einfach verrückt", murmelte er zum dritten Mal ungläubig. "Das verdammte Zeug muß an meinen Händen gewesen sein", sagte ich fassungslos. "Wingo hatte Handschuhe an. Betty auch ... "
Vander schaltete die Deckenbeleuchtung an und schüttelte den Kopf. "Wenn Sie ein Mann wären, würde ich den Cops raten, Sie auf dem Revier zu befragen."
"Und ich könnte es Ihnen
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