Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
hörte nicht auf. Ich schlug meinen Kopf auf den Boden. Es tat weh. Es reichte nicht. Der Schmerz war schlimmer. Er brachte mich um. Jetzt stieß ich meinen Kopf mit der Kraft des Schmerzes gegen die Wand. Der Schädel dröhnte, ich taumelte, fiel zurück und schlug der Länge nach in meinem Wohnzimmer hin. Dieser Schmerz durchzuckte meinen Kopf noch heftiger. Ich heulte laut auf. Dann wurde es dunkel.
Als ich aufwachte, hatte ich mich auf den Boden erbrochen. Fast hätte ich in meinem eigenen Erbrochenen gelegen. Es war ekelig. Mein Schädel brummte. Aber ich war wieder nur eine Hülle. Ich fühlte nicht den wahren Schmerz. Ich dachte nichts. Ich war nichts.
Ich säuberte den Teppichboden. Es stank erbärmlich. Ich bewegte mich vorsichtig, damit der Kopf ruhig blieb. Bei der kleinsten falschen Bewegung fuhr ein stechender Schmerz durch meinen Schädel. Es war ein Gefühl, als würde jemand ein Messer in meinen Kopf rammen.
Es war zum Glück Samstag. Bis Sonntagnachmittag konnte ich kaum das Bett verlassen. Am Montag schmiss ich Kopfschmerztabletten, die Silke aus der Klinik mitgebracht hatte, ein und setzte meinen Alltag fort, so als ob nie etwas geschehen sei. Die Wochen rauschten dahin.
Ostersamstag, ich mistete gerade Capriolas Box aus, stand die Bäuerin auf einmal an der Boxentür.
»Felix hat sich gerade von seiner Freundin getrennt. Ich dachte, das könnte dich interessieren?« Sie zupfte sich energisch das Kopftuch zurecht.
Ich mochte diese resolute Frau mittlerweile. Sie war ein wenig wie ich. Immer agil. Immer zielstrebig. Ich grinste breit. »Und ob mich das interessiert! Und ob!«
Verschwörerisch-verschmitzt schauten wir uns an. Als Felix am nächsten Tag im Stall war, sprach ich ihn an. »Wenn du mal Zeit und Lust hast, kannst du mich gern anrufen. Wir könnten mal ein Bier trinken gehen. Oder essen gehen. Was hältst du davon?«
Ich war aufgeregt und mimte die Entspannte.
Felix lächelte mich an. »DAS finde ich jetzt aber nett von dir! Ja klar. Mache ich gerne. Ich muss ab nächste Woche auf eine Baustelle nach Berlin. Ich melde mich aber bei dir!«
Mein Herz hüpfte vor Freude. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Diese Güte in seinen Augen. Mein Gott, was war der Mann nett.
Am Freitagabend gingen Silke und ich wieder gemeinsam in die Stadt. Wir saßen in einer Kneipe und hatten uns am Tisch von zwei Männern ein Plätzchen ergattert. Der Laden war brechend voll. Aufgeregt erzählte ich Silke von Felix. Mit leuchtenden Augen hörte sie zu. Eine mir bekannte Stimme sagte plötzlich laut: »Guten Abend!«
Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten wie wild umher. Felix und ein Freund begrüßten die beiden Männer an unserem Tisch. »Das ist er, Silke. Das ist er! Ich glaubʼs ja nicht! Da setzen wir uns ausgerechnet an den Tisch seiner Freunde. Das ist ja der Hit.« Ich freute mich wie ein kleines Schulmädchen.
Als Felix mich entdeckte, stieß er ein freudiges »Ach hallo. DAS ist ja ein Zufall!« aus. Wir verbrachten einen lustigen gemeinsamen Abend. Felixʼ Freunde waren geistreiche Spaßvögel und absolut unterhaltsam. Wir lachten und lachten.
Ich hatte die Haare wieder wachsen lassen, weil ich nicht mehr aussehen wollte wie ein Kerl. Diese superkurzen Haare hatten viel zu viel Härte in mein Gesicht gebracht, und ich trauerte insgeheim um meine schönen schwarzen langen Locken. Zum Glück brauchte ich mir um meinen Haarwuchs keine Gedanken zu machen. Wenn meine Konten so schnell wachsen würden wie meine Fingernägel und meine Haare, dann wäre ich schon längst mehrfache Millionärin.
In einer Tanzkneipe spielten sie Marianne Rosenbergs Er gehört zu mir . Felix trällerte den gesamten Text mit, während wir ein flottes Tänzchen aufs Parkett legten. Er fühlte sich so gut an. So stark. So unbeugsam. Diese Mischung aus Güte und Stärke zog mich magisch an.
Er war ein fantastischer Reiter und galt damals in der Ruhrstädter Reiterszene als Lokalmatador. Dass etliche Frauen aus dem ländlichen Reitsport nur darauf gewartet hatten, dass Felix »wieder zu haben war«, wusste ich nicht. Vom Turniersport, insbesondere im Ruhrstädter Umfeld, hatte ich keinen blassen Schimmer. Als mir später der unverhohlen zum Ausdruck gebrachte Neid einiger Frauen wie ein eisiger Wind entgegenschlug, bekam ich einen ersten Einblick in diese Szene. Jeder kannte jeden. Jeder wusste, wer mit wem wann was »hatte«, alle waren hier in der Region aufgewachsen und gemeinsam älter geworden.
Es war
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