Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Nacht begann. Felix war ein wunderbarer Liebhaber und bemüht, mich auf Wolken zu betten. Er liebkoste und erforschte und wurde es nicht leid, meinen Körper zu streicheln. Er strahlte so viel Ruhe aus und gab mir das Gefühl, ALLE Zeit der Welt nur für mich zu haben.
Ich ärgerte mich insgeheim, dass ich meinen Höhepunkt vorheucheln musste, weil ich immer noch nicht wusste, wie ich mit einem Mann dahin gelangen sollte. Aber diesen Preis bezahlte ich gern für das gewonnene emotionale Gefühl. Als wir Arm in Arm einschliefen, war ich einfach nur glücklich.
Ein Sonnenstrahl kitzelte mich wach. Es war schon spät am Morgen, und das Bett war leer. Bestimmt machte Felix das Frühstück und holte Brötchen. Ein so fürsorglicher und zärtlicher Mann gehörte zu der Kategorie Frühstückmacher. Kein Frühstück. Kein Mann. Kein Kuscheln. Keine Notiz. Keine Sicherheit. Keine Transparenz. Er war einfach weg. Irgendwann aufgestanden und weg. Ich kämpfte mit den Tränen und dem Gefühl, benutzt worden zu sein. Als ich mich wieder gefangen hatte, ging ich zum Stall. Als Felix mich sah, begrüßte er mich wie immer. Keine Umarmung. Kein demonstratives Zeichen unserer Zusammengehörigkeit. Er war nett wie immer. Für mich brach eine Welt zusammen. Den Abend verbrachte ich ohne ihn. Felix war auf irgendeinem Turnier, hatte dort eine Prüfung gewonnen, und war danach mit Freunden beim Bier versumpft. Am Abend heulte ich mich bei Silke aus. »Da hätte er ja gleich einen Fünfziger auf der Kommode liegen lassen können«, schimpfte sie mit mir. »Das ist ja das Allerletzte!«
Am Sonntag brach es dann aus mir heraus. Ich präsentierte Felix eine prächtige Szene, wie sie nur tief verletzte Frauen präsentieren können. Und ich spürte es gleich: Dieser Mann verstand nur Bahnhof. Weder wollte er mich verletzen, noch hatte er sich auch nur eine einzige Sekunde Gedanken gemacht, wie ICH mich in den letzten Stunden gefühlt hatte. Das brachte mich vollends aus der Fassung. Bis heute hasse ich es, wenn ich jemandem etwas erkläre und mein Gegenüber mir das Gefühl der völligen Verständnislosigkeit gibt. Das macht mich aggressiv, insbesondere dann, wenn ich so etwas wie Ohnmacht verspüre. Als ich wieder zu Hause war, überwältigte meine Angst, Felix verlieren zu können, alle meine Zweifel und jeden Zorn in mir. Ich erwartete Transparenz von ihm und konnte mich doch selbst nicht transparent machen. Hätte man Felix eine Gebrauchsanleitung von mir in die Hände gedrückt, dann hätte er, der Pragmatische von uns beiden, sicherlich gewissenhaft diese Anleitung studiert und wäre nicht in so viele Fettnäpfchen getreten.
Die Wochen vergingen wie im Flug. Die Turniersaison hatte begonnen, und ich war selig, mitfahren zu »dürfen«. Ich schleppte Sattel und Zaumzeug und versuchte, meinen neuen Job der Turnierbegleiterin so gut wie möglich zu machen. Später erfuhr ich, dass diese Leute »Turniertrottel«, kurz »TT« genannt wurden. Niemand aus der Reiterei meint diese Begrifflichkeit wirklich böse, denn ohne »TT« kann ein Turnier ganz schön stressig werden. Helfende Hände werden im Sport eben immer gebraucht.
Auf den Turnieren ging es anders zu, als ich es gedacht hatte. Weder hielt Felix mein Händchen, noch legte er mal den Arm um mich. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass wir ein Paar waren. Der Gipfel des für mich Erträglichen war schließlich erreicht: Felix hatte mich bei Leuten als »eine Bekannte« vorgestellt. Wieder entbrannte ein heftiger Streit zwischen uns. Wir stritten uns oft. Wir stritten darüber, dass er mich nach seiner Ankunft im Stall einfach draußen stehen ließ und sich bei seiner Mutter den Kuchen einverleibte. Wir stritten an den Wochenenden, weil wir oft erst nach sechzehn Uhr nach Hause kamen und ich Capriola dann nicht mehr reiten konnte, da um sechzehn Uhr Stallruhe war, und wir stritten über Felixʼ Unzulänglichkeit, im Voraus die Wochenenden zu planen. Immer wieder tauchte ich verheult freitagabends bei Silke auf, weil Felix nicht erschienen war und mich auch nicht angerufen hatte.
Wir waren ein häufig streitendes Paar, und mit jedem Monat, der verging, wurden meine Unsicherheiten größer. Felixʼ Mutter sprach dann irgendwann ein Machtwort. Selbstverständlich käme ich mit zum Kaffee ins Haus und selbstverständlich könne ich zumindest noch mein Pferd in der Reithalle laufen lassen, wenn es nach vier sei. Sie hatte, so interpretierte ich, offensichtlich das Sagen im Hause
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