Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
die sexuelle Lust aus den Augen quoll. Ekelhaft.
Ich duschte und versuchte unter der Dusche, die Flecken aus dem Bikini zu waschen. Oh Gott! Es war mir schrecklich peinlich gewesen, dass ich am Strand meine Tage bekommen hatte. Ich heulte. Der schöne Bikini. Ich hatte das Schnittmuster in Mamas Brigitte gefunden und mit Omas Hilfe das erste Mal ein Kleidungsstück selbst genäht. Der schöne weiße Bikini. Die Flecken gingen nicht raus. Ich war unruhig. Hektisch. Nervös. Ich war nicht gern allein im Apartment. Selbst hier in Spanien war ich vor Jürgen nicht sicher. Alle waren unten am Strand. Schnell trocknete ich mich ab. Wollte gerade aus der Dusche steigen. Da stand er schon vor mir. Lüsterner Blick. Die Augen auf meinen schmalen Körper gerichtet. Es hörte nie auf. Ich würde ihm nie entkommen. Und es reichte nicht. Es war nie genug, was ich tat. Was auch immer ich tat, es war nie genug ...
Felix war einen Abend zu mir ins Bad gekommen. Ich hasste es, wenn ich meine Ruhe haben wollte, Felix aber dennoch ins Bad kam. Ich stieg gerade aus der Dusche, da stand er plötzlich vor mir. Lachte mich lüstern an und grinste. »Lecker siehst du aus«, sagte er.
Ich malochte den ganzen Tag und hatte wahnsinnig viel zu tun mit dem Haushalt, mit Mia, mit den ständig kranken Pferden, mit der Arbeit auf der Wache. Ich machte und tat, und Felix ließ mich im Stich. Wenn er Sex wollte, dann liebte er mich auf einmal. Aber bei allen anderen Sachen liebte er nur sich selbst. Ging reiten, während ich putzte. Fuhr zu seinen Turnieren, während ich den Hof fegte und die Stallungen einstreute. Nicht einer sagte Danke. Meine Schwiegermutter nicht. Mein Schwiegervater nicht. Mein Mann nicht. Nicht einer. Mia schon mal gar nicht. Die war ja auch zu klein. Und anstrengend. Das Kind raubte mir den letzten Nerv. Dass ich dünner und dünner wurde, interessierte niemanden.
»Lass mich gefälligst in Ruhe!«, schrie ich Felix im Bad an. »Wenn du im Alltag nur halb so agil wärest wie im Bett ... Du kotzt mich an. Was kannst du an mir nur ›lecker‹ finden? Brüste wie Fahrradschläuche! Lecker, ne? Ist dir doch egal, was da unter dir liegt. Hauptsache, rein damit.« Das saß! Ich wusste es: DAS saß!
Felix stand erschüttert vor mir. Er kämpfte mit den Tränen. Schaute mich mit seiner unendlichen Güte traurig an.
Omi heulte. Sie legte ihre Hand auf meine Hand. Wir saßen am Küchentisch ihrer großen Wohnküche, und der Ofen bollerte seine Hitze in den Raum. Omi hatte noch schnell Briketts in den Ofen geworfen, als ich kam. Sie wusste, dass ich die Wärme liebte. »Christinchen, mein armes Mädchen. Jetzt hör doch auf zu weinen. Was ist denn los mit dir? Ich mache mir solche Sorgen um dich. Da stimmt doch was nicht. Nun sag schon.« Zärtlich drückte sie meine Hand.
Ich konnte es ihr nicht sagen. Es hätte ihr das Herz gebrochen. Vorgestern noch hatte ich im Krankenhaus gelegen. Auf der Intensivstation. Wo sich die Frau die Schläuche aus den Venen gerissen hatte. Wo der Arzt mich so lange angeschaut hatte. Wo mir der Auftritt meiner Mutter so furchtbar peinlich gewesen war. Wenn ich Omi das erzählte, wenn ich Omi das ALLES erzählte, dann wäre sie gestorben. Herzinfarkt oder so. Und Omi durfte nicht sterben. Jürgen sollte sterben. Meine Mutter sollte sterben. Ich sollte sterben.
»Ist es wieder wegen deiner Mutter?«
Ich nickte. Weinte weiter.
Omi weinte mit. Sie schnäuzte sich die Nase. »Ich habe mal gelesen, dass es da Leute gibt, die mit einem reden, wenn man ein Problem hat. Psychologen. In der Frau im Spiegel schrieben sie, dass einem das wirklich helfen könnte. Aber es ist sehr teuer. Ich hab mich da mal erkundigt. Das ist leider viel zu teuer. Irgendetwas liegt dir schwer auf der Seele. Ich spüre das. Christinchen. Wenn ich könnte, ich würde dir sofort so eine Therapie bezahlen. Ich kann das aber nicht. Es tut mir so leid.« Wieder ein fester Händedruck.
Omi und ich saßen am Küchentisch und heulten und heulten. Omi tat mir leid. Ich tat mir leid. Ohne Omi war ich verloren. Alleine und verloren.
Felixʼ Blick ging mir durch Mark und Bein. Ich war ordinär. Ich war verletzend. Ich war brutal. Ich verstand mich selbst nicht mehr. Wie konnte ich mich denn so benehmen? Tränen stiegen in mir hoch. Bittere, salzige, unaufhaltsame Tränen der Schuld. Es stimmte nicht, was ich gesagt hatte. Ich wusste das. Ich spürte es genau in diesem Augenblick. Es tat mir leid. Unendlich leid.
»Hör auf zu weinen,
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