Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Tag, als wir losfuhren. Es war spät in der Nacht, als wir in Südfrankreich angekommen waren, und der Aufbau der beiden kleinen Zelte dauerte länger, als wir gedacht hatten. Die Luftmatratzen verloren ständig die Luft, und zu allem Übel begann es in der Nacht in Strömen zu regnen. Ulf und Martin hatten das kleinere Zelt in Beschlag genommen, und ich lag neben Jürgen. Neben ihm auf der anderen Seite lag meine Mutter. Für die Nacht hatte ich mir eine Jogginghose angezogen, und weil ich fror wie ein Schneider, hatte ich über dem Pulli noch eine dicke Jacke an. Nicht ein Auge habe ich in dieser Nacht zubekommen, weil Jürgen immer wieder mit seinen Händen nach mir grapschte und unter allen Umständen versuchte, seine Finger an meinem Slip vorbeizuzwängen. Ich litt in dieser Nacht Qualen, denn keinen Meter entfernt von mir lag meine Mutter und schlief, jedenfalls rührte sie sich nicht. Jürgen benahm sich schlimmer als eine Schmeißfliege, und ich fühlte mich schmutzig und benutzt. In unmittelbarer Nähe meiner Mutter von ihm bedrängt zu werden war schier unerträglich. Jürgen war mein Zuhälter und Freier zugleich. Am nächsten Morgen saß ich missmutig und übernächtigt vor dem Campingkocher und versuchte aus dem Mineralwasser und dem Pulverkaffee ein halbwegs annehmbares Gebräu zu zaubern.
Es war Jürgen, der den ersten Streit anzettelte, indem er sich vor meiner Mutter, Ulf und Martin über mein zerknirschtes Gesicht lustig machte. Vergleiche vom zerknautschten Mopsgesicht bis hin zur Frage, was ich denn die Nacht über bloß gemacht hätte, dass ich nun eine solche Laune verbreiten würde, musste ich über mich ergehen lassen. Jürgen provozierte und stichelte, bis er mich endlich so weit hatte, dass ich ihn ärgerlich anschrie, er solle mich endlich in Ruhe lassen. Sofort kehrte er den Spieß um und baute sich in erzieherischer Funktion vor mir auf. Ich hatte diese Taktik schon lange durchschaut und spürte, dass seine Provokationen in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner unbefriedigten Lust auf mich standen. Aber jedes Mal tappte ich in seine Falle. Ich schaffte es einfach nicht, seine blöden Sprüche zu ignorieren, und viel lieber hätte ich Jürgen deutlich gesagt, dass er sich angesichts einer so ätzenden Nacht nicht zu wundern bräuchte, dass ich eine solche Scheißlaune hatte. Jürgen wusste offensichtlich genau, dass ich es nicht wagen würde, ihn offen vor meiner Mutter und seinen Söhnen zu brüskieren und mich selbst damit bloßzustellen. Er konnte folglich getrost und beruhigt sein Spiel mit mir spielen und war stets der Gewinner.
Seinen Erfolg verbuchte Jürgen damit, dass er mich von den anderen und insbesondere von meiner Mutter vollkommen separierte und mich zum Störenfried der Gemeinschaft deklarierte. Drei Wochen lang war ich seinen Machtspielchen ausgesetzt, und Jürgen ließ dabei keine Situation aus. Am Strand von unserem Urlaubsort in Spanien bekam ich eines Tages meine Menstruation. Kurz vor den Sommerferien hatte meine Periode eingesetzt, und als ich etwas hilflos meine Mutter gefragt hatte, was ich denn nun machen solle, hatte sie mir den nützlichen und wenig aufklärenden Tipp gegeben: »Mach ein Kreuzchen in deinen Kalender!«
Als mir nun am Strand vor aller Leute Augen dieses Malheur ausgerechnet mit meinem neuen, selbst genähten weißen Bikini passierte, nahm ich mir fest vor, nach den Ferien mit Carla ausgiebig über diese Blutungen zu sprechen und mich gründlich aufklären zu lassen. Jürgen nutzte auch diese Peinlichkeit schamlos aus. Ich schlang mir ein Handtuch um die Hüften, versuchte, das hysterische Gelächter meiner Mutter zu ignorieren, und stapfte wütend durch den Sand in Richtung Hotelzimmer. Als ich gerade unter der Dusche hervorkam, stand Jürgen vor mir und reichte mir mit süffisantem Lächeln das Handtuch.
»Während du deine Tage hast, kannst du nicht schwanger werden«, sagte er lächelnd und kniff verschwörerisch ein Auge zu. »Komm, wir gehen aufs Sofa und legen das Handtuch drunter. Du weißt ja gar nicht, wie sehr du mir gefehlt hast, Christine. Du machst mich langsam verrückt und scheinst es zu genießen, mich hinzuhalten, ne?« Jürgen begrapschte meine größer gewordenen Brüste und knetete sie unangenehm mit seinen Fingern.
»Hau ab!«, schnauzte ich ihn an und schob ihn unsanft zur Seite.
»Jetzt stell dich doch nicht so zickig an«, raunzte Jürgen.
»Ich habe Angst! Verstehst du das nicht?«, schrie ich los. »Ich habe
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