Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Angst, dass Mama reinkommt oder Ulf oder Martin! Bist du verrückt, Jürgen?«
»Meine Liebe«, säuselte Jürgen und packte mich an den nackten Hüften. »Du hast ja so Recht, Christine. Es ist in der Tat zu gefährlich, und ich bin dir so dankbar, dass wenigstens einer von uns beiden einen kühlen Kopf bewahrt. Ich weiß nur nicht mehr, wo ich mit mir hin soll. Ständig habe ich einen Steifen, wenn ich dich sehe. Dass ich fast den Verstand verliere, ist nur deine Schuld, du machst mich ja den ganzen Tag wild, wenn du da so am Strand liegst. Komm, lass uns wenigstens ein kleines bisschen bumsen, ja?« Mit diesen Worten versuchte mich Jürgen auf das Sofa zu ziehen.
Ich riss mein Handgelenk aus seiner Hand und flüchtete auf den Balkon, der direkt zum Strand gerichtet war. Die blanke Wut stieg in mir hoch, und ein unbändiges Gefühl von Hass erfüllte mich. Nicht hier im Urlaub, das hatte ich mir geschworen!
Jürgen stand auf, nickte boshaft und verließ das Hotelzimmer ohne weitere Kommentare.
Die Streitigkeiten, die Jürgen und ich in diesem Urlaub hatten, gerieten fast so außer Kontrolle wie die Streitigkeiten zwischen mir und meiner Mutter. Jürgen drohte mir eines Abends beim Essen: »Noch so ein Satz, Christine, und du hast gleich einen Aschenbecher im Gesicht!«
Meine Mutter grinste voller Häme. Sie hatte sich nach all den Jahren mit meinem Vater Abdul nicht im Geringsten geändert! Als wir aus dem Urlaub zurückkehrten, erhielt ich für die Wochenenden Hausverbot bei Jürgen. Er habe sich sooo sehr über mein Benehmen aufgeregt, erläuterte er, dass er sich erst mal erholen müsse von mir. Innerlich triumphierte ich. Als meine Mutter mit ihren gepackten Sachen am Freitagabend ins Haus fuhr, atmete ich erleichtert auf. Dieses Wochenende würde ich nicht durchs Panzerübungsgelände fahren müssen, und diese Nacht von Samstag auf Sonntag würde ich nicht durch Jürgens Besuch geweckt werden. Ich schlief so gut wie noch nie. Am Sonntagmorgen rief meine Mutter mit ernster Stimme an und erteilte mir die Anweisung, die Wohnung weiterhin nicht zu verlassen und die Bügelwäsche nicht zu vergessen. Meine Güte. Mir war die Bügelwäsche herzlich gleichgültig. Die Wäsche lag bereits fertig in den Schränken, die Wohnung blitzte bis in die hintersten Ecken, und ich fühlte mich regelrecht arbeitslos. Ich wagte es, nach dem Gespräch mit meiner Mutter, Carla anzurufen.
»Ja klar«, rief meine Freundin begeistert, »komm zu mir, meine Mutter macht gerade Frühstück, und danach können wir uns auf die Terrasse setzen und schwatzen. Ich freu mich, bis gleich.«
Schnell wie der Wind sauste ich mit meinem Fahrrad zu Carla und genoss das herrliche Gefühl, mich an einen gedeckten Frühstückstisch setzen zu können. Carlas Mutter verwöhnte uns nach Strich und Faden und wurde es nicht leid, immer wieder Orangensaft und Tee nachzugießen.
Als Carla und ich später allein waren, erzählte ich ihr die ganze Geschichte von Jürgen und mir. Carlas Augen wurden zwar größer und größer, aber sie hörte so lange zu, bis ich ihr, angefangen vom zweiten Weihnachtsfeiertag bis hin zu meiner Bulimie, alles erzählt hatte. Carla saß betroffen vor mir, und die Erschütterung war deutlich in ihren Augen zu sehen. Gleichzeitig schien sie genauso hilflos zu sein wie ich.
»Und ich habe mich immer gewundert, dass du nie etwas mit uns unternimmst«, begann sie nachdenklich. »Ständig hattest du keine Zeit, nie warst du sonntags mit beim Tanztee ... was willst du denn jetzt machen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Was soll ich machen, Carla? Sag du es mir!«
»Keine Ahnung«, antwortete sie. »Deine Mutter ist für mich gestorben! Und wenn die etwas erfährt, bringt sie dich um. Diese Frau hasst dich, und es sind noch über zwei Jahre, bis du achtzehn bist.«
Es war eine blöde Situation. Carla musste mir schwören, niemandem, aber auch wirklich niemandem ein Sterbenswörtchen zu erzählen. Sie umarmte mich und drückte mich fest.
»Was auch immer ist, Christine, du kannst jederzeit zu uns kommen, klar?«
Ich nickte und verließ mit hängendem Kopf dieses schöne Zuhause. Carlas Zuhause. Ich radelte zurück und ahnte bereits, dass mein Besuch bei Carla nicht ohne Folgen bleiben würde. Und richtig! Jürgens Auto parkte bei uns, und ich wusste genau, was kommen würde.
Als ich die Tür aufschloss, stand meine Mutter wutentbrannt vor mir. »Wo warst du Arschloch?«, brüllte sie mich an. Ich war es gewohnt, so von ihr
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