Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
Vom Netzwerk:
sondern die Matratze lediglich durch ein bereits in der Mitte gebrochenes Holzbrett gehalten wurde. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Rückenschmerzen eine psychosomatische Erscheinung sein können, denn bis zum heutigen Tag kündigen Rückenschmerzen bei mir eine Verschlechterung meiner psychischen Verfassung an. In derselben Zeit blieb meine Periode aus. Ich erzählte Jürgen davon, und Jürgen reagierte mit unglaublichen Worten darauf.
    »Christine«, säuselte er, »meine allerliebste Christine! Nichts wäre schöner für mich, als ein Kind von dir zu bekommen. Glaub mir. Mein Gott, was wäre das schön, so ein Kindlein in den Armen zu halten. Schuld ist nur diese Gesellschaft. Diese Scheißgesellschaft toleriert eine Beziehung zwischen uns beiden nicht. Das ist alles so schrecklich. Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich mich auf der Stelle zu dir bekennen, und es würde dir und dem Kind an nichts fehlen. Mach dir keine Sorgen, Christine. Wir stehen das zusammen durch. Ich kenne da eine Adresse in Holland, und dann regeln wir das. Ich bin immer bei dir.« Jürgen nahm mich in den Arm, und ich betete inständig, dass dieser Kelch bitte an mir vorüberziehen würde.
    Zwei Tage später bekam ich heftige Bauchschmerzen, und meine Blutungen setzten ein. Ich war erleichtert, aber auch völlig geschafft von der Anspannung der letzten Tage. Jürgen schien ebenfalls ein Stein vom Herzen gefallen zu sein, und er kommentierte dies mit den Worten: »Dann müssen wir aber in Zukunft doch besser aufpassen, nicht wahr? Ich muss dann leider eher rausziehen!«
    Meine Stimmungslage wurde in den Monaten des Jahres 1982 immer düsterer. Heulkrämpfe ergriffen mich plötzlich, und mein Schlaf wurde durch wiederkehrende und grauenvolle Träume gestört. Mir war, als käme ich in keiner Lebenslage mehr zur Ruhe, und ich geriet zusehends in Panik. Ein Tiger in einem Käfig, der irgendwann realisiert, dass die Käfigstangen unüberwindbar sind, muss ähnlich fühlen ... Am zweiundzwanzigsten Januar 1982 habe ich einen dieser Träume in mein Tagebuch geschrieben:
     
Mama hat fürchterlich mit einem Messer auf mich eingestochen und mir die Hände zerschnitten. Dann hat sie mich blutüberströmt liegen gelassen und hämisch gegrinst. Jürgen war zuerst erschrocken, regte sich dann aber schnell wieder ab und war ziemlich gleichgültig. Ich wollte, dass sie jemand dafür bestraft, aber in dem Moment, wo ich als Beweis meine Wunden zeigen wollte, waren sie fast alle weg, bis auf ein paar harmlose und geringfügige Narben.
     
    Das Gefühl, als Hülle durch das Leben zu laufen, wurde immer schlimmer. Es war, als könnte ich nichts mehr richtig fühlen, nichts mehr richtig empfinden. Wenn meine Freundinnen lachten, dann lachte ich mit, aber es kam in meinem Inneren nicht mehr an. Ich zählte die Tage bis zu meiner Volljährigkeit und kotzte mir immer wieder die Seele aus dem Leib. Mein Tagebuch ist voll von seitenlangen Abhandlungen, die die Frage behandeln, ob ich wirklich ein schlechter Mensch war und warum mich meine Mutter derartig hasste.
    Am Nachmittag des neunzehnten Februars 1983 ergab sich wieder ein Streit, der mir buchstäblich jeden Halt unter den Füßen entzog. Ich hatte insgeheim beschlossen, nach meinem Abitur nach Australien auszuwandern, da die Eltern meiner Freundin Dana nach Sydney ausgewandert waren. An diesem Tag fragte mich meine Mutter schon zum wiederholten Male, was ich denn nun beruflich vorhätte und ob ich mir denn endlich mal Gedanken über meine Zukunft gemacht hätte.
    War es Provokation, Resignation oder Ehrlichkeit, die mich die Wahrheit erzählen ließen? Freimütig teilte ich Jürgen und meiner Mutter mit, dass ich mit Dana nach dem Abi nach Australien zu ihren Eltern fliegen würde, und ich hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als der Sturm der verbalen Beschimpfungen über mich hereinbrach. Meine Mutter erlitt einen bühnenreifen Tobsuchtsanfall und schrie mich an, ich sei eine Zumutung für sie und meine bloße Existenz würde sie krank machen. Jürgen trug seinen Sermon bei und betonte, wie wichtig es sei, dass man nach der Schule unverzüglich ins Berufsleben einzutreten hätte und dass das, was ich hier vortragen würde, völlig aus dem Rahmen fallen würde. Im Übrigen sei Australien ein beschissenes Land, ich hätte ja gar keine Ahnung und ich wäre tatsächlich auf dem besten Wege, völlig zu entgleisen. Am Abend erklärte mir meine Mutter dann, dass sie meinen Vater anrufen

Weitere Kostenlose Bücher