Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
verschwunden. Und sein kleiner Köter auch.«
Ein zweiter Kerl, dunkelhaariger und pausbäckiger, schlenderte zu mir an den Bordstein. Als er näher kam, konnte ich sein Haaröl riechen. Es duftete süßlich und teuer, nicht wie das Vitalis auf meinem Schädel.
»Der Junge wurde tot bei den Bahngleisen gefunden, mit runtergezogener Hose, und sein kleiner Köter steckte mit dem Kopf in seinem Arsch«, fügte Pausbacke hinzu. »Aber der Köter war noch nicht tot. Als die Leute ihn gefunden haben, hat er noch mit dem Schwanz gewedelt.«
Er und der Blonde lachten.
Ich wusste, dass es nur ein Witz war, aber trotzdem wurde mir unbehaglich.
»Ich bin kein weißer Abschaum«, sagte ich.
»Du wohnst nicht hier auf dem Hügel«, erwiderte der Blonde, »also bist du bloß weißer Abschaum.«
»Ich wohne im Autokino. Da unten.«
Der Blonde hörte auf zu lachen. »Ach. Tja, ins Autokino fahr ich öfter mal. Ist ganz nett da. Nichts für ungut. Ich geh ab und an mit einer Braut da hin, will’s mir lieber nicht mit euch verderben. Also, war nicht so gemeint. Du weißt ja, ein bisschen Spaß muss sein.«
Der dritte Junge, der bis jetzt geschwiegen hatte, kam mit dem Football unterm Arm zur Bordsteinkante. Er war groß und dünn und hatte braunes Haar; vermutlich hätte man ihn als gutaussehend bezeichnen können. Die anderen beiden verzogen sich wieder auf den Hinterhof. Er drehte sich um und warf ihnen den Football zu. Der Blonde fing ihn auf.
»Achte nicht auf die«, sagte er. »Die halten sich für lustig. Dabei sind sie so lustig wie eine Falltür in einem U-Boot. Ignorier sie einfach. Ich heiße Drew. Drew Cleves.«
Den Namen kannte ich. Das war der Junge, von dem Callie gestern Abend gemeint hatte, dass sie ihn mochte. Aber das behielt ich lieber für mich.
»Wohnst du hier?«, fragte ich ihn.
»Nein, ich wohne da gegenüber.«
»Weißt du, wo das Haus der Stilwinds steht?«
»Na klar. Oben auf dem Hügel, hinter der Kurve. Genau da, wo die Straße aufhört. Aber eigentlich wohnen sie da gar nicht mehr. Niemand wohnt dort. Das Grundstück steht zum Verkauf. Nur will es keiner haben.«
»Warum nicht?«
»Angeblich spukt’s in dem Haus. Als kleines Kind hab ich alle möglichen Geschichten drüber gehört.«
»Ist es gruselig da?«
»Eigentlich ist es bloß ein bisschen runtergekommen. Aber anscheinend ist dort jemand ermordet worden oder so. Vielleicht war es auch gar kein Mord. Da erzählt dir jeder was anderes.«
»Dann leben die Stilwinds nicht mehr in Dewmont?«
»Doch, schon, aber eben nicht hier oben. Ich weiß nicht genau, wo sie wohnen. Sie haben mehrere Häuser. Gibt ja auch mehrere Stilwinds, weißt du. Warum interessiert dich das überhaupt?«
»Bin bloß neugierig. Früher hatten sie ein Haus, das hinter unserem Autokino stand. Das ist aber abgebrannt.«
»Hab davon gehört«, sagte Drew. »Mein Vater hat sie damals gekannt. Soweit ich weiß, haben sie kurz nach dem Feuer dieses Haus hier gebaut. Einmal bin ich mit Tatum dort gewesen. Mit ihm dort.« Er zeigte auf den Blonden. »Wir waren ungefähr zwölf. Erzähl’s niemandem, aber wir haben mit einem Stein ein Fenster eingeworfen. Ist bloß ein bisschen unheimlich da, das ist alles. Hey, vorhin hast du gesagt, du wärst einer von den Neuen vom Autokino?«
Ich nickte.
»Ich hab Anfang des Sommers deine Schwester Callie im Piggly Wiggly kennengelernt. Sie ist echt hübsch.«
»Kann schon sein. Sie hat versucht, einen Ferienjob im Piggly Wiggly zu bekommen.«
»Und, hat’s geklappt?«
»Nein. Aber meine Eltern sagen, es wär ein gutes Geschäft.«
»Ich hol mir manchmal einen Schokoriegel und eine Coke dort, aber meine Eltern würden nie im Leben im Piggly Wiggly einkaufen gehen.«
»Oh.«
»Na ja, so sind sie halt. Wenn ich einkaufen müsste, würde ich dorthin gehen. Brot schmeckt wie Brot, egal wo man es holt, würd ich sagen.«
»Wahrscheinlich hast du recht.«
»Callie geht mit Chester White, stimmt’s?«
»Jetzt nicht mehr. Mein Vater mag ihn nicht. Er hat ihn sogar verprügelt.«
»Eine gute Entscheidung. Den zu verprügeln, meine ich. Chester ist nämlich nicht grad ein feiner Kerl. Warum hat er ihn denn verprügelt?«
»Weiß nicht so genau«, log ich.
»Hatte bestimmt einen guten Grund. Hey, komm doch mal rüber und spiel eine Runde Football mit uns.«
»Klar.«
»Warum nicht jetzt gleich?«
Da würde wohl jemand schrecklich gern mal mit meiner Schwester ausgehen, dachte ich. »Nein danke. Ich schau mir dieses
Weitere Kostenlose Bücher