Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
Weißen sie genannt. Haben ihre eigenen Gesetze gehabt und alle ihre Angelegenheiten selber geregelt. Mir hat’s da gefallen, aber irgendwann war’s eben vorbei, und ich bin nach East Texas gekommen. Seitdem bin ich hier. Aber die Zeiten damals waren die besten. Damals hat nie jemand Nigger zu mir gesagt. Jedenfalls nicht ins Gesicht.«
    »Sie sagen es ja selbst.«
    »Was denn?«
    »Nigger. Sie sagen es ständig. Und Rosy Mae auch.«
    »Hat sich halt so eingeschliffen. Aber eins schreib dir hinter die Löffel, wie meine Mama immer zu sagen pflegte: Farbige können es gar nicht leiden, wenn Weiße sie so nennen. Verstanden? Ich hör’s auch nicht gern, wenn Farbige sich gegenseitig Nigger nennen und es abwertend meinen.«
    »Hat ein Lighthorse auch Leute verhaftet?«
    »Jawohl. Verhaftet und hingerichtet, wenn’s sein musste.«
    »Wirklich?«
    »Allerdings. Hab mal ’nen Kerl gekannt, der hieß Bob Johnston. Größtenteils Seminole. Hatte auch ’n bisschen weißes Blut in den Adern, aber ein einziger Tropfen Indianerblut hat ihn zu ’nem Seminolen gemacht. Viele Farbige mit ’nem Tropfen Indianerblut wollten lieber Seminole sein. Dann wurden sie besser behandelt. Ein paar Farbige haben sich einfach den Seminolen angeschlossen und sind Stammesmitglieder geworden, obwohl die gar kein Indianerblut in sich hatten.
    Na, jedenfalls ist Bob in eine Streiterei mit ’nem Freund geraten, der war auch Seminole, und als sie mal beide besoffen waren, hat er ihn in ’ner Prügelei umgebracht. Der Stammesrat hat ihn zum Tode verurteilt. Niemand wollte ihn ins Gefängnis stecken, weil es gar keins gab. Also haben sie ihn freigelassen und ihm gesagt, an welchem Tag er hingerichtet werden soll. Genau an dem Tag ist er wieder aufgetaucht, was nicht ungewöhnlich war. So wurde das damals eben gemacht bei uns. Sie haben ihm ’n gutes Mittagessen aufgetischt, sich nett mit ihm unterhalten, ihm ’ne Zigarette und ’n Glas Whiskey gegeben, und wenn sie eine zur Hand gehabt hätten, hätt er vielleicht auch noch ’ne Frau gekriegt. Nachdem er mit dem Essen fertig war, haben sie ihm da, wo sie seinen Pulsschlag in der Brust gespürt haben, ein weißes Herz aus Pappe ans Hemd geheftet. Dann hat er sich auf eine Decke auf den Boden gelegt. Mir und noch ’nem andern Mischling kam die Aufgabe zu, ihn zu erschießen.
    Einer der Männer hat Bob Nase und Mund zugehalten, damit er keine Luft mehr kriegte, und Bob hat sich kein bisschen gewehrt. Ich und dieser andere Kerl, Cumsey hieß der, wir haben uns vorgebeugt und ihm mit unsern Gewehren genau durch dieses Pappherz geschossen. Ich weiß noch, dass ich ein altes Henry-Gewehr hatte, und als er da so auf dem Boden lag und ich den Gewehrlauf nur ein paar Zentimeter über seiner Brust hielt, hatte ich trotzdem noch Angst, ihn zu verfehlen, so hab ich gezittert.
    Ich konnte Bob gut leiden. War ’n guter Kerl. Genau wie ich konnt er einfach die Finger nicht vom Schnaps lassen, und das hat ihn in Schwierigkeiten gebracht. Verdammt, ich war auch schon oft genug in Schwierigkeiten, und mich hat niemand deswegen erschossen. Das geht mir ab und zu durch den Kopf. Das und die Erinnerung daran, wie der alte Bob da lag und nicht mehr atmen konnte, und wie ich und Cumsey ihm in die Brust geschossen haben.«
    »Ich wäre nicht wieder zurückgekommen, wenn sie mich hätten gehen lassen«, sagte ich.
    »Aber Bob kam zurück. War eine Frage der Ehre für ihn. Damals spielte Ehre noch eine große Rolle ... Wie heißt du?«
    »Stanley.«
    »Was dagegen, wenn ich einfach Stan zu dir sage?«
    »Nein.«
    »Wenn ein Mann sein Wort gegeben hat, dann hat er’s auch gehalten, auch wenn das seinen sicheren Tod bedeutete. Zumindest war das bei den Seminolen so. Ich kann nicht behaupten, dass ich da immer so standhaft geblieben bin wie der alte Bob. Zum Teufel, wahrscheinlich hast du recht. Ich wär auch abgehauen.«
    »Wie konntest du ihn erschießen, wo du ihn doch gut leiden konntest?«
    »Bob hat gegen das Gesetz verstoßen. Wir waren Gesetzeshüter, wir haben das Gesetz vollstreckt. Ich musste das Stammesgesetz an Bob vollstrecken, und das hab ich auch getan. Nicht, dass ich mich dabei besonders wohlgefühlt hätte, aber er hat nun mal jemand umgebracht, nur wegen zu viel Feuerwasser ... Jetzt kommen sie langsam rein.«
    Ich sah die Autos durch die samtene Dunkelheit fahren, neben den Lautsprechern parken und ihre Scheinwerfer ausschalten.
    »Was hältst du davon, wenn ich dir noch ’n bisschen was zu dem

Weitere Kostenlose Bücher