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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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mein Cousin, Buster, aber langsam treibst du’s auf die Spitze.«
    »Wer hat dir ein halbes Dutzend Mal den Arsch gerettet?«
    »Ja ja, du hast ja recht. Aber den Job brauch ich trotzdem.«
    »Du hast doch an jedem Finger drei Jobs«, sagte Buster.
    Jukes ließ seine Zigarette auf die Straße fallen und trat sie aus. »Ich geh jetzt rein. Du solltest vielleicht weiterlaufen, nicht dass einer der Zeitungsherren den Kopf aus der Hintertür streckt und zwei Nigger mit ’nem weißen Jungen sieht.«
    »Entspann dich, Jukes.«
    »Schon gut.«
    »Hey, Jukes, lass doch mal ’n paar Töne hören, für den Bengel hier.«
    »Ach, auch das noch.«
    »Komm schon.«
    Jukes sah sich um. »Also gut, aber nur was Kurzes.«
    Er zog eine Mundharmonika aus der Gesäßtasche, blies ein paar Töne, setzte sie wieder ab und sang:
     
    I got a two-timin’ woman.
    I’m one-timin’ man.
    She wants to get happy, but she don’t understand.
     
    Wieder kam die Mundharmonika zum Einsatz, und dann:
     
    She a two-timin’ woman –
    I’m one-timin’ man.
     
    Abermals entlockte er seinem Instrument einige Töne, dann sang er:
     
    She tell Mr. Johnson, what he ought to do.
    Mr. Johnson don’t listen.
    He don’t care what she do.
    It don’t matter darlin’, what you say.
    Mr. Johnson, dadgumit, don’t play that way.
     
    Wieder die Harmonika. Ein paar Steppschritte. Und:
     
    You say what you want.
    You say what you say.
    But I done told you darlin’
    Mr. Johnson don’t play that way.
     
    Jukes hielt inne und sagte: »Das reicht erst mal. Seid vorsichtig, ja?« Dann verschwand er im Haus.
    »Und, wie hat’s dir gefallen?«, fragte Buster mich.
    »Klasse«, sagte ich. Erst Jahre später, als ich einmal an dieses Lied zurückdachte, verstand ich seine ganze Bedeutung. Und fragte mich, ob der alte Jukes es sich wohl kurzerhand ausgedacht hatte.
    »Wir sollten aufbrechen, Kleiner.« Er nahm den Pappkarton hoch und lief los. Ich schob mein Fahrrad hinter ihm her.
    »Wohin gehen wir?«, fragte ich ihn.
    »Wir schauen uns die Sachen an, die ich im Karton hier hab.«
    »Was ist das denn?«
    »Wirst schon sehn. Ungefähr eine Woche lang hat er das für mich zusammengesucht, während ich drauf gewartet hab, dass dein Bein verheilt. Wie geht’s denn damit?«
    »Fühlt sich komisch an, aber tut nicht weh.«
    »Das sind die Muskeln. Sind jetzt lang nicht benutzt worden. Die freuen sich, dass du Fahrrad fährst.«
    »Aber ich schiebe doch gerade.«
    »Laufen schadet auch nicht. Bewegung ist schließlich Bewegung, oder?«
    »Wohin gehen wir?«
    »Ins Viertel.«
    »Wohin?«
    »Tja, du kennst es vielleicht eher als Niggerviertel. Wir gehn zu mir und schauen uns das Zeug mal an.«
     
     

10
     
    Wir kamen auf eine rote Backsteinstraße, an der dicht an dicht Eichen wuchsen. Jedes Mal, wenn der Wind in die Äste eines der Bäume fuhr, berührte dieser seinen Bruder auf der anderen Straßenseite.
    Rechts von uns lag ein umzäunter Park mit einer Statue von Robert E. Lee, auf der pechschwarze Krähen nisteten und sich erleichterten, sodass das Denkmal über und über mit weißen Klecksen bespritzt war. Mir fiel auf, dass ein Klecks genau auf Robert E. Lees rechtem Auge prangte.
    Hinter dem Park schloss sich ein Friedhof an, wo Veteranen aus dem Bürgerkrieg begraben waren. Auf einigen Gräbern wehten kleine verblichene Dixie-Flaggen der Konföderierten mit Vasen darunter, in denen schwarz angelaufene, welke Stängel von abgestorbenen Blumen standen. Auf anderen Gräbern lagen frischere Gestecke, auch zahlreiche Rosen, die blutrot leuchteten.
    Wir wanderten weiter, bis die Straße schmaler wurde und hier und da Backsteine herausragten, die sich durch Wind und Wetter gelöst hatten und zerbrochen waren. An vielen Stellen waren Grashalme zwischen den Steinen hervorgekrochen, umgeknickt und gelb geworden.
    Plötzlich sahen die Eichen anders aus. Da erst fiel mir auf, dass die Bäume in der Oak Street, wie sie hieß, Richtung Innenstadt gehegt und gepflegt wirkten. Aber je weiter wir der Oak Street in Richtung Viertel folgten, desto verwachsener sahen die Eichen aus, manche waren erkrankt und hatten überall schwarze Knubbel. Sie machten den gleichen verwahrlosten Eindruck wie die alte Backsteinstraße.
    Dasselbe traf auf den Farbigenfriedhof zu, der links der Straße zwischen den Eichen und dem Dewmont Creek lag, der dahinter entlangfloss. Die Grabsteine neigten sich in alle Himmelsrichtungen. Viele waren umgefallen, einige zerbrochen. Das Gras stand

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