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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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zum Filmvorführer. Das will ich nicht.«
    »Ich weiß. Du bist ein echter Freund. Im Gegensatz zu mir.«
    »Sie haben heute aber Ihre Freundschaft bewiesen, sogar mehr als das.«
    »Geh jetzt erst mal nach Hause und denk nicht mehr an die ganze Geschichte. Mach dir bloß keine Vorwürfe deswegen. Bubba Joe, der war für die Welt so wichtig wie ’ne Laus. Und noch eins: Wenn ich nicht tue, was von mir erwartet wird, dann geschieht’s mir ganz recht, wenn du meinen Job übernimmst. Ein Mann muss dafür gradestehn, was er tut und was er lässt. Hörst du?«
    »Ja, Sir ... aber Buster – bitte seien Sie da.«
    »Das werd ich. Ich geb mir wirklich Mühe, mein Wort zu halten, aber manchmal macht mir eben der Alkohol einen Strich durch die Rechnung. Warst du schon mal auf Waschbärenjagd, Junge?«
    »Nein, Sir.«
    »Tja, du setzt die Hunde auf den Waschbären an, und dann gerätst du in den Sumpf, und dieser olle Waschbär, wenn der gejagt wird, dann führt er die Hunde rein ins Moor – da, wo es richtig tief ist, wenn er es schafft –, und dann springt er dem Hund auf den Kopf und versucht ihn unterzutauchen. Wirklich wahr. Und der Hund steckt bis zum Hals im tiefen Wasser, und auf ihm hockt der Waschbär mit seinen Zähnen und Krallen, und für seine Größe ist so ein Waschbär ganz schön stark, und er drückt ihn runter, und alles, was der Hund tun kann, ist schwimmen und kämpfen und den Kopf über Wasser halten. Manchmal schafft er’s. Manchmal auch nicht. Genauso ist es mit dem Alkohol. Als ob ich im tiefen Wasser stecke, und das Zeug trampelt mir auf dem Kopf rum und versucht, mich unterzutauchen. Ich kämpf und kämpf, und wenn ich ihn nicht abschüttle, dann wird der alte Waschbär eines Tages gewinnen. Wird mich endgültig ertränken ... Aber das Gute ist, ich hab keinen Whiskey mehr, und die Kohle reicht nicht für ’ne neue Flasche.«
     
    Der Regen hatte aufgehört, aber es war immer noch nebelig. Ich musste trotzdem nach Hause gehen, also zog ich mich an. Meine Kleider fühlten sich eigenartig an – einige Stellen waren angenehm warm, andere immer noch feucht.
    »Ab nach Hause mit dir. Und kümmer dich gut um den Hund, ja?«
    »Mach ich«, sagte ich.
    Als ich zögerlich die Stufen hinunterstieg und losging, sagte Buster, der mir auf die Veranda gefolgt war: »Du brauchst dir keine Gedanken mehr um ihn zu machen, glaub mir. Aber der Sturm hat sich noch nicht ganz gelegt. Hast gerade bloß eine Flaute erwischt. Beeil dich besser, hörst du?«
    Ich nickte ihm zu und lief weiter.
    Der Wind war verflogen und der schwarze Himmel hatte sich etwas gelichtet, sodass es gar nicht mehr kalt war, und die Sommerhitze ließ überall feuchten Dampf aufsteigen. Schon bald schwitzte ich wie ein Hammel am Spieß beim Grillfest am Nationalfeiertag.
    Ich kam an der Stelle vorbei, wo Bubba Joe sein Leben ausgehaucht hatte, und sah sein Messer im Gras liegen. Buster hatte vergessen, es mitzunehmen.
    Ich schaute mich um. Niemand war zu sehen. Da ging ich hinüber, kickte das Messer in die Nähe eines Baumes und schob mit der Schuhspitze Erde darüber.
    Ein Schauer durchlief mich. Ich dachte daran, wie Bubba Joe uns letzte Nacht verfolgt hatte, wie er vorhin an meinem Hemd gezerrt hatte, wie sein Atem mich mit Tabak und Whiskey eingenebelt hatte. Wie Buster sein eigenes Messer Bubba Joe über die Kehle gezogen hatte, rasch und ohne viel Aufhebens wie ein Lehrer, der einen Kreidestrich zieht. Und ich stellte mir den Bach vor, in den Buster Bubba Joe hineingeworfen hatte wie ein Stück altes Holz.
    Ich hörte das Wasser rauschen, schnell und machtvoll nach dem Regen, und dachte an Bubba Joe, der dort unten lag und über den sich jetzt die Krabben hermachten wie über einen Speckstreifen an einer Schnur. Fast wäre ich hinübergegangen, um nachzuschauen. Aber ich ließ es bleiben.

15
     
    Am späten Nachmittag kam ich zu Hause an. Als ich das Haus betrat, gab ich mir alle Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Doch meine Familie schien schon alles zu wissen. Bei meiner Ankunft waren sie so aufgeregt wie die Familie von Lazarus, der aus dem Grab gestiegen war.
    Rosy Mae fing an: »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, Mister Stanley. Wir haben gehofft, du bist so klug, gleich nach Hause zu kommen, wo der Sturm so gewütet hat.«
    Callie lachte. »Bist du aber nicht.«
    »Ich habe in der Stadt festgesteckt«, sagte ich. »Hab das Gewitter im Drugstore abgewartet.«
    Mir wurde ganz schlecht davon, sie so anzulügen, aber etwas

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