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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Servietten von den Getränken und Snacks, die zugunsten der Schulband und des Baseballteams verkauft wurden.
    An einer Wand hatte der Elternbeirat einen Tisch aufgestellt. Dort schwappte Limonade in Kühlbehältern, und es gab sogar frische Hotdogs: Mit einer langen Zange holten sie Würstchen aus einem elektrischen Schmortopf und steckten sie in Brötchen, die mit Senf und Gewürzsoße bestrichen waren.
    Es verging keine Viertelstunde, da war die Aula gerappelt voll. Hinten standen sogar noch einige Leute.
    Als das Licht ausging, kamen zwei Weiße auf die Bühne, die sich die Gesichter schwarz geschminkt und die Lippen weiß angemalt hatten. Einer von ihnen spielte Banjo, und sie sangen zusammen. Manche würden diese Lieder wohl als Plantagenklassiker bezeichnen, wie zum Beispiel Way Down Upon the Swanee River , Jimmy Crack Corn , und später ein paar religiöse wie The Great Speckled Bird oder I’ll Fly Away .
    Es wurden Witze gerissen, alle auf Kosten von Negern. Meistens ging es dabei ums Angeln, um Wassermelonen und Brathühnchen, um Faulheit und Fröhlichkeit; lauter drollige Farbige, die gerne lachten, sangen und tanzten und die Weißen zum Schmunzeln brachten.
    Ich ließ mich von der Stimmung mitreißen und amüsierte mich zusammen mit allen anderen, bis ich ein lautes, heiseres Lachen von hinten hörte. Ich drehte mich um. Das Lachen kam von dem alten farbigen Hausmeister, der neben seiner rollenden Mülltonne stand, aus der ein Besen herausragte. Er lachte so heftig, als müsste man ihn k.o. schlagen, damit er je wieder zur Ruhe käme.
    In dem Moment sprang bei mir innerlich ein Schalter um. Und ich dachte: Da steht ein Farbiger, der das hier witzig findet. Der glaubt, dass das Humor ist, wenn man ihn und seine Leute der Lächerlichkeit preisgibt.
    Von da an lachte ich nicht mehr mit. Aber nicht aus Trotz. Mir kam einfach nichts mehr, was am restlichen Abend auf der Bühne geschah, witzig vor.
    Auf dem Heimweg war ich so still, dass Daddy mich fragte, ob es mir gut gehe und ob ich Spaß gehabt habe.
    Ich bejahte. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen.
    »Na ja«, mischte Callie sich ein, »ich hab ein paar Mal gelacht, und die Musik hat mir gefallen, aber ich glaube nicht, dass Farbige so was mögen würden. Rosy Mae hätte es bestimmt nicht gemocht.«
    »Für Rosy Mae ist das ja auch nichts«, sagte Dad.
    »Eben.«
    Ich schaute Callie an, die mir gegenüber auf der Rückbank saß, und zum ersten Mal in meinem Leben liebte ich sie von ganzem Herzen. In den letzten Tagen hatte ich sie zu schätzen gelernt, aber jetzt liebte ich sie.
    »Ich glaube, du hast recht, Callie«, sagte Mom. »Ich schäme mich sogar ein bisschen, dass ich mir das angeschaut habe. Und habt ihr das Schild gesehen? ›Nigger-Minstrel‹. Sie nennen sie noch nicht einmal Farbige oder Neger, sondern Nigger.«
    »Das ist doch nicht verletzend gemeint«, sagte Daddy.
    »Mich hat es verletzt«, erwiderte Mom.
    Wir fuhren zum Dairy Queen und parkten unter dem Vordach. Als wir die Fenster herunterkurbelten, konnten wir hören, wie der Regen aufs Gebäude prasselte.
    Ein junges blondes Mädchen mit Bluejeans, Männerhemd und Pferdeschwanz kam zu uns ans Auto gelaufen. Wasser spritzte unter ihren Schritten hoch, es regnete schräg unters Vordach, und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihr das ganz und gar nicht gefiel.
    Als sie Callie sah, quiekten sie beide schrill los. Offensichtlich begrüßten Mädchen in ihrem Alter einander so. Sie kannten sich anscheinend, aber Callie kannte ja irgendwie alle. Sie sagten sich Hallo, versicherten einander, dass sie dringend reden müssten, und dann holte das Mädchen, Nancy, einen Bleistift hinter dem Ohr hervor, zog einen Notizblock aus der Gesäßtasche ihrer Bluejeans und fragte uns, was wir gerne haben wollten.
    Wir bestellten, und Nancy entfernte sich wieder. Da sagte Daddy: »Ihr Mädels klingt wie waidwunde Vögel.«
    »Ach Daddy«, sagte Callie.
    Das Essen kam auf einem Tablett, das in Daddys Fenster festgeklemmt wurde. Er verteilte die Portionen, und dann saßen wir da und aßen. Daddy versuchte, die Minstrelshow noch einmal zur Sprache zu bringen, redete über Dinge, die er daran lustig fand, und obwohl wir alle hier und da gelacht hatten, war niemand von uns stolz darauf, außer vielleicht Dad, der nichts dabei fand.
    Wir aßen auf, gaben das Tablett zurück und fuhren nach Hause, während der Regen lauter denn je auf uns herabtrommelte.
     

16
     
    Die Sommerferien schnurrten

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