Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
hörte Matzbach es auch: ein tiefes, grollendes Keuchen, das sich schnell näherte und zu wüstem Gebell wurde. Es kam aus dem Wald jenseits des Bahndamms.
»Ob das uns gilt?« sagte Baltasar.
»Der Hund der Baskervilles, so wie es klingt.« Yü machte ein paar Schritte Richtung Wagen. »Komm, weg hier. Man weiß ja nie …«
In diesem Moment erschien ein riesiges, zottiges Vieh auf den Schienen, bellte noch einmal und stürzte sich auf Matzbach. Er sah, wie Yü sich zu irgendeiner asiatischen Abwehrhaltung kauerte, registrierte, daß er sich allenfalls hinter die Buchenhecke flüchten konnte, hielt dies für sinnlos, reckte die Arme, brüllte und rannte dem Hund entgegen.
Das Tier war ein Stück rechts von ihnen aus dem Wald gekommen, hatte die Schienen überquert und kam nun zwischen Damm und Hecke angerast. Baltasar hielt es für eine Kreuzung aus Neufundländer und schottischem Hochlandrind. Vielleicht auch Wisent – ›Bonsai-Wisent‹, dachte er, als er sich röhrend auf das Ungeheuer stürzte.
Stürzen wollte. Der Hund stemmte die Vorderbeine zu einem Bremsmanöver in den Boden, schlitterte ein paar Meter weiter, prallte gegen Matzbachs Bauch, wimmerte und schnaufte leise, als Baltasar sich die Schnauze des Tiers in die linke Achselhöhle klemmte.
»Ist ja gut, Fiffi«, sagte er; dabei klopfte er ihm mit der Rechten auf den Rücken. Mit den Fingern der Linken begann er, den Hund unter dem Kinn und an der Brust zu kraulen.
»Scharfe Slapstick-Nummer.« Yü kam hinter der Hecke hervor und stand feixend neben ihnen. »Woher wußtest du … ach, du wußtest es ja überhaupt nicht. Aber wolltest du ihn wirklich beißen?«
»Wieso beißen?«
»Du hattest die Zähne gefletscht – solang ich dich noch sehen konnte jedenfalls. Dann hab ich nur noch deinen Rücken gesehen, und der sah aus wie der eines mythischen Kriegers. Achilles stürzt sich auf Hektor. Oder so.«
»Achilles
a tergo
? Charmant.« Matzbach kraulte weiter. Der Hund stieß eine Mischung aus Knurren und Glucksen aus; dann begann er –
»Schnurrt der etwa? Wie ein Kater?« Yü stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. »Am besten adoptierst du ihn. Also nee.«
»Ich glaube«, sagte Baltasar, »er hat genug in meine Achselhöhle gesabbert. Eigentlich müßte er jetzt wissen, wie ich rieche und daß ich der Chef bin. Mal sehen.«
Er ließ den Hund los und ging ein paar Schritte rückwärts. Einen Moment sah es so aus, als wolle das Ungetüm die Zähne fletschen; dann stieß es einen eindeutig sanften Knurrlaut aus, wedelte mit dem Schwanz und kam hinter Baltasar her.
Ein Kopf tauchte über dem Damm auf, dann der Rest des zugehörigen Körpers. ›Leibes‹, verbesserte Matzbach sich in Gedanken.
Es war eine große, kräftige Frau mit kurzem braungrauen Kraushaar. Sie trug ein bis zu den Ellenbogen aufgekrempeltes Flanellhemd und Jeans, die an den Knien in Fetzen endeten. Die Schuhe waren einmal Gummistiefel gewesen, ehe man sie an den Knöcheln abgeschnitten hatte.
Mit dem Kinn deutete sie auf Baltasar, aber die Augen und die Stimme richteten sich an Yü. »Ist der echt?«
»Kommt drauf an.« Yü breitete die Arme aus, in einer Geste der Resignation. »Es gibt kein Zertifikat.«
Sie hob eine Braue. »Kann ich mir denken; wer würde das schon riskieren. Mann!«
»Frau!« sagte Matzbach. »Wenn ich das mal so antworten darf. Sind Sie die Herrin dieses Zwergpudels?«
Er fühlte sich von scharfen grauen Augen gemustert, empfand dies aber als durchaus angenehm, verglichen mit dem Sabbern des Hundes, der vor ihm stand, ihn mit der Schnauze stupste und aus braunen Augen anhimmelte.
»Bin ich.« Plötzlich lächelte sie. »Er heißt Gandalf und hält mir normalerweise die Esoteriker vom Leib.«
»Gibt es davon so viele?« Matzbach versuchte, die Sommersprossen in ihrem Gesicht zu zählen. Das war jedoch nicht einfach, da einige sich in Lachfältchen verbargen und die übrigen zu zahlreich waren.
»Horden, die bei gutem Wetter ausschwärmen und mit Wünschelruten auf Kräutersuche gehen. Oder was immer man mit Wünschelruten macht.«
Yü keckerte. »Meinen Sie das esoterisch oder sexuell? Wie Konfuzius bei Gelegenheit sagte, lassen sich nicht gestellte Fragen besser beantworten, wenn man weiß, in welche Richtungen die Gedanken des anderen schweifen.«
»Sie sind aber auch nicht echt.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Konfuzius … Und Übergriffe auf fremde Hunde. Was machen Sie eigentlich hier?«
Matzbach räusperte
Weitere Kostenlose Bücher