Ein feuriger Gentleman: Roman (German Edition)
Körper.
Aber das Schicksal herauszufordern war nicht klug.
Er berührte sie an der Schulter und schob sie von sich. Sie erwachte, stand auf, schüttelte ihre Röcke aus und zog das Oberteil zurecht, während er ebenfalls seine Kleidung in Ordnung brachte. Dann setzte sie sich wieder auf den Stuhl ihm gegenüber. Kühl wie eine hochherrschaftliche Witwe blickte sie ihn fragend an.
»Nun gut. Womit fangen wir an? Ich denke, als Erstes sollten wir den Bischof von London aufsuchen.«
Milde belustigt über ihre Forschheit – und die Kraft, die sie das kosten musste – pflichtete er ihr bei. Sie verbrachten die nächsten fünf Minuten damit, ihren Plan durchzugehen, als es an der Tür klopfte und Gasthorpe mit einem Tablett eintrat.
»Ich habe mir die Freiheit herausgenommen, Mylord, Ihnen Ihr gewohntes Frühstück zu bringen.«
Jack betrachtete die Auswahl an Speisen, die Gasthorpe auf das niedrige Tischchen stellte, und ihm fiel wieder ein, dass er ja noch nicht gefrühstückt hatte.
»Danke, Gasthorpe.«
Gasthorpe hatte auch eine Kanne Tee für Clarice gebracht und einen Teller mit Törtchen. Als er sie vom Tablett nahm, blickte er Jack an.
»Mylord, wir müssen schließlich dafür sorgen, dass Sie bei Kräften bleiben.«
Überaus korrekt verneigte Gasthorpe sich vor Clarice, die gnädig nickte, dann machte er eine Verbeugung vor Jack und ging.
Clarice schaute Jack mit hochgezogenen Brauen an.
Jack zuckte die Achseln und erwiderte:
»Das kannst du verstehen, wie du willst.«
Während sie aßen, überlegten sie, wie sie sich am besten an den Bischof von London wendeten. Seine Zustimmung war notwendig, damit sie sich mit James’ Verteidiger treffen und
ihm helfen konnten, und ohne die ausdrückliche Genehmigung des Bischofs war es unwahrscheinlich, dass sie erfuhren, was genau James vorgeworfen wurde.
»Ohne die Details der Anklage kommen wir nicht weit.« Clarice nippte an ihrem Tee.
Jack beobachtete sie und fragte sich, ob sie bemerkte, dass sie sich gerade wie ein Ehepaar benahmen. Sie unterhielten sich beim Frühstück und besprachen Familienangelegenheiten. In ihrem dunklen Haar, wieder ordentlich aufgesteckt, schimmerte es dunkelrot auf, als ein Sonnenstrahl durch die Vorhänge ins Zimmer fiel. Sie beugte sich vor, um ihre leere Tasse auf den Tisch zu stellen, und als sie sich wieder aufrichtete, fielen ihm ihre elegante Haltung und die Verletzlichkeit ihres Nackens auf.
Nach und nach hatte sich ein Aspekt während ihres Londoner Abenteuers deutlich herauskristallisiert. Gemeinsam wären er und Clarice eine nicht zu unterschätzende Kraft, den Anschuldigungen gegen James Einhalt zu gebieten, und wenn Dalziels Instinkte sich als richtig erwiesen, konnten sie das Ablenkungsmanöver des letzten Verräters aufdecken und vielleicht sogar den Verräter selbst entlarven.
Sie würden eine Bedrohung für den Verräter werden.
Und das wäre gefährlich.
Seine Instinkte hatten sich bereits geregt, jetzt jedoch versetzten sie ihn in immer größere Unruhe. Er würde die Augen offen halten und sie gewiss nicht aus den Augen lassen.
Clarice schaute hoch, fing seinen Blick auf und betrachtete ihn forschend, konnte seine Miene aber nicht deuten. Sie zog die Brauen hoch.
»Und, sollen wir gehen?«
Beinahe zwei Stunden waren vergangen, seit Dalziel das Haus verlassen hatte. Jack wusste, wie schnell sein ehemaliger Vorgesetzter arbeitete; der Bischof musste mittlerweile Dalziels
Nachricht erhalten haben. Er stand auf und hielt ihr die Hand hin, sie legte ihre hinein, und er zog sie auf die Füße.
»Sicher, lass uns anfangen.«
Lambeth Palace, die Londoner Residenz des Erzbischofs von Canterbury, umgeben von ausgedehnten Gärten, lag an der Lambeth Bridge. Gegenwärtig residierte dort der Bischof von London, zusammen mit dem Verwaltungsapparat und seinem Haushalt. Jack und Clarice fuhren in einer Droschke zu dem beeindruckenden Tor und gingen zu Fuß über die kiesbestreute Auffahrt. Am Vorbau über dem Eingang empfing sie ein Lakai und brachte sie zu einem kleinen Warteraum.
Sie mussten nicht lange warten. Dekan Samuels, den James als die rechte Hand des Bischofs bezeichnet hatte, erschien nach weniger als fünf Minuten.
Er war ein weißhaariger Mann mit einem rundlichen, eher verhärmten Gesicht. Lächelnd stellte er sich vor und geleitete sie zur Treppe nach oben.
»Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind.« Er ging neben ihnen die Stufen hoch und blickte Jack von der Seite an. »Der
Weitere Kostenlose Bücher