Ein feuriger Gentleman: Roman (German Edition)
blickte flüchtig zu ihm, »in Wahrheit
war ich bei der guten Gesellschaft hier restlos in Ungnade gefallen. Das Letzte, was ich wollte, waren Bälle und Abendgesellschaften, bei denen ich allen irgendwie in Frage kommenden Männern im Umkreis von zwanzig Meilen vorgestellt werden würde. Natürlich«, ihre Stimme klang zynisch resigniert, »ließ sich nichts dagegen unternehmen, aber sobald der erste Glanz des Neuen verblasst war und ich keinerlei Ambitionen zeigte, der Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft hier zu werden, und klar war, dass meine Interessen auf ganz anderen Gebieten lagen, ließ der Trubel allmählich nach, und die Normalität kehrte wieder zurück. Ich wurde im Großen und Ganzen nicht weiter behelligt, damit ich mich meinen Aufgaben widmen konnte.«
»Insbesondere meinen Besitz zu führen. Ich weiß, ich weiß.« Er fing ihren Blick auf, als sie ihn anschaute, und lächelte, um seinen Worten den Stachel zu nehmen. »Sie waren hier und ich nicht.« Sie gingen eine Weile schweigend weiter, dann fügte er in weniger leichtfertigem Ton hinzu: »Dafür bin ich wirklich dankbar.«
Der flüchtige Blick, den sie ihm mit einer hochgezogenen Braue zuwarf, verriet ihm, dass sie wusste, dass er dazu auch allen Grund hatte.
»Widerstrebend gestehen Sie es ein, aber Sie meinen es ehrlich, nicht wahr?«
Ironisch senkte er den Kopf.
»Ja.«
Sie bogen auf den schmalen Weg, der dem sich verästelnden Bach folgte. Er würde sie durch die Felder und Wiesen des Herrschaftssitzes führen, unter der Brücke hindurch, über die die Straße verlief, und dann weiter zu den Feldern, die an das Pfarrhaus grenzten.
Er musterte ihr Profil. Wie sollte er in Erfahrung bringen, was er wissen wollte?
»Und nach dem ersten Ansturm, da haben Sie hier ruhig und zurückgezogen gelebt?«
»Ich bezweifle, dass sich viel in den Jahren geändert hat. Die Gesellschaft auf dem Land bleibt friedvoll und anspruchslos.«
»Vielleicht, aber ich kann es schwer glauben, dass die Gentlemen hier derart auf den Kopf gefallen sein sollen. Sicher kommen sie doch, um ihre Aufwartung zu machen, oder?«
Ihre Augen wurden schmal.
»Das tun sie unseligerweise tatsächlich. Zu oft. Man sollte doch meinen, nach sieben Jahren hätten sie begriffen,…«
Ihre Worte verklangen. Als sie nicht weitersprach, beendete er den Satz für sie:
»Dass Sie nicht die Absicht hegen, irgendeinen von ihnen zu heiraten?«
»Genau.« Ihre Augen blitzten vor Empörung; ihr Ton war brüsk.
Er lächelte unbeschwert, seine Miene verriet milde Belustigung. Er beglückwünschte sich, ihr die Antwort auf seine wichtigste Frage entlockt zu haben.
»Sie werden Nachsicht mit ihnen haben müssen – es sind schließlich bloß Männer.«
Ihr leises Schnauben sagte mehr als Worte. Sein Lächeln vertiefte sich.
Also hatte sie gegenwärtig keinen Verehrer und verspürte auch nicht den Wunsch nach einem. Und wenn er sich ein Urteil erlauben durfte, so war sie grundsätzlich nicht sonderlich von Herren angetan, jedenfalls nicht von denen, die nach ihrer Hand strebten. Berücksichtigte man ihre Vergangenheit, überraschte ihn das nicht. Keiner Dame ihres Schlages, mit besten Verbindungen, reich und zu allem Überfluss auch noch attraktiv, gelang es, im überreifen Alter von neunundzwanzig noch unverheiratet zu sein, ohne dass zuvor drastische Entscheidungen
bezüglich der Institution Ehe getroffen worden waren. Aber er hatte sicher sein wollen, und nun war er es.
Allerdings, auch wenn eine Ehe für sie nicht infrage kam, konnte sie in der Gegend einen Liebhaber haben, der sie in einem ähnlichen Licht wie er sah und alle paar Tage herübergeritten kam, um sich mit ihr zu treffen.
Er warf ihr einen Blick zu, erinnerte sich wieder, wie sie ihn geküsst hatte. Hungrig, wenn nicht sogar ausgehungert. Sogar wenn sie tatsächlich einen Liebhaber gehabt hatte und man ihre Reaktion auf ihn bedachte, musste er das überhaupt wissen?
»Da wir gerade von der guten Gesellschaft und ihrer Besessenheit mit dem Thema Heirat sprechen, was ist geschehen, dass Sie aus der Stadt weggegangen sind?«
Die Frage, in ihrem gewohnt ruhigen Tonfall gestellt, riss Jack aus seinen Gedanken. Er blinzelte und blickte geradewegs in ein Paar dunkler Augen, die einen gehörigen Teil Gerissenheit enthielten und eine Fähigkeit, hinter die Fassade zu blicken, die seiner vielleicht sogar ähnelte.
»Sie hatten bestimmt einen Zusammenstoß mit den Matronen und ihren Schützlingen.« Clarice hob die
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