Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
Widerspruch zu. „Bitte, reiten Sie bis zu der Scheune dort drüben. Da warten Sie auf mich. Das ist sicherer. Vermutlich hat ein Wilderer Ihnen diesen Schreck bereitet. Worauf er am hellen Tag allerdings schießen wollte, ist mir rätselhaft. Kaninchen vielleicht?“
„Dann müssten es fliegende Kaninchen sein“, versuchte Serena zu scherzen.
„Der Gedanke ist mir auch schon gekommen“, gab Nicholas mit einem kleinen Lächeln zurück. „Bitte, machen Sie sich jetzt auf den Weg zur Scheune. Es wird nicht lange dauern, bis ich wieder zu Ihnen stoße.“
Tatsächlich verging eine halbe Stunde, ehe Serena, die am geöffneten Tor der Scheune stand und auf ihn wartete, ihn entdeckte. Es hatte zu regnen begonnen, und das Fell seines Hengstes glänzte feucht. Nicholas näherte sich rasch und freute sich dabei an dem hübschen Bild, das die junge Frau in ihrem blauen Kostüm ihm bot. Ihre goldblonden Locken waren nach all der Aufregung etwas zerzaust. Ihre Augen erschienen ihm in dem immer noch etwas blassen Gesicht riesig.
„Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht“, sagte sie und maß ihn mit einem vorwurfsvollen Blick.
„Sie haben doch nicht etwa gedacht, der Wilderer würde mich angreifen? Wie Sie sehen, bin ich wohlauf, wenn auch ziemlich nass. Sobald ich Titus angebunden habe, komme ich zu Ihnen. In der Scheune können wir das Ende des Schauers in aller Ruhe abwarten.“
Beunruhigt darüber, dass er nicht die geringste Spur des vermeintlichen Wilderers gefunden hatte, war er in Richtung der Farm geritten, um mit dem Pächter zu sprechen. Jeffries, der auf einem der Felder arbeitet, hatte ihm jedoch nur sagen können, dass er nichts und niemanden gesehen hatte. Natürlich hätte jeder Gesetzesbrecher versucht, unbemerkt zu bleiben. Doch Nicholas konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass jemand absichtlich auf Serena geschossen hatte. Um sie jedoch nicht unnötig zu ängstigen, sagte er, als er sich schließlich zu ihr gesellte, nur: „Leider habe ich nichts gefunden, was uns einen Hinweis auf den Schützen geben könnte. Es tut mir leid, dass er Sie so erschreckt hat. Wie fühlen Sie sich jetzt?“
Noch hatte sie den Schock nicht vollständig überwunden, doch sie war entschlossen, keine Schwäche zu zeigen. Ihre Selbstbeherrschung beeindruckte Nicholas sehr. Alle anderen Damen seines Bekanntenkreises wären wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen oder hätten sich zumindest einer Nervenkrise hingegeben.
„Ich schäme mich ein wenig“, gestand sie, „weil ich über meinem Schreck versäumt habe, mich um Belle zu kümmern. Ich hätte verhindern können, dass sie durchgeht. Nur gut, dass Sie mir so rasch zu Hilfe gekommen sind. Vielen Dank, Nicholas!“ Sie schenke ihm ein strahlendes Lächeln.
„Es war mir eine Ehre, Mademoiselle.“
Er schloss das Tor, denn der Wind hatte aufgefrischt und wollte den Regen, der jetzt dichter fiel, in die Scheune treiben. „Es ist nicht besonders gemütlich hier“, meinte er, sich umschauend. Der große dämmrige Raum war leer, abgesehen von einer Forke und etwas Heu, das in einer Ecke zusammengeschoben worden war. „Aber zumindest befinden wir uns im Trockenen.“
„Es zieht“, stellte Serena fest. Ihr war plötzlich kalt. Ob es am Wetterumschwung lag oder eine Folge ihres schlimmen Erlebnisses war, hätte sie nicht zu sagen vermocht.
„Wir wollen uns dort drüben hinsetzen“, schlug Nicholas fürsorglich vor.
Nachdem er das Heu ein wenig umgeschichtet hatte, konnte Serena fast wie auf einer Bank darauf Platz nehmen. Sie seufzte zufrieden auf und hob die Arme, um die Bänder des Hütchens zu lösen. Dadurch spannte die eng geschnittene Jacke ihres Reitkostüms über Schultern und Brüsten.
Eine Woge des Verlangens überschwemmte Nicholas, und einen Moment lang blieb er reglos mit angehaltenem Atem stehen. Serena, die in diesem Augenblick den Kopf hob, sah in seinen Augen, wie sehr er sie begehrte. Ein heißer Schauer überlief sie, und ihr Herz begann schneller zu schlagen.
Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie sich allein mit Nicholas an einem abgelegenen Ort in einem geschlossenen Raum befand. Das Innere der Scheune war keineswegs anheimelnd, und man hätte es beim besten Willen nicht als romantisch bezeichnen können. Ihre ersten Erfahrungen mit der körperlichen Liebe, so hatte Serena immer geglaubt, würde sie irgendwo machen, wo sie sich rundum wohlfühlte. Doch Nicholas’ Miene sagte ihr deutlich, dass er nicht länger warten wollte. Er würde auf
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