Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
sich gar nicht die Gelegenheit, allein mit ihm zu sprechen.
Auch Nicholas war nicht so entspannt wie sonst. Charles hingegen plauderte zwanglos über verschiedene Dinge, die sich in London ereignet hatten, und schilderte dann humorvoll, wie die Cheadles mit ihren Gästen eine Scharade veranstaltet hatten. Als er erzählte, wie einer seiner Bekannten vorgeschlagen hatte, man solle ein Rennen zwischen einem Frosch und einem Huhn veranstalten, hatte Nicholas sich so weit entspannt, dass er herzhaft lachen konnte, und er entschloss sich, nun doch von seiner ersten Begegnung mit Mademoiselle Stamppe zu berichten.
Während er sprach, errötete Serena zwar ein wenig, doch dann meinte sie gut gelaunt: „Stellen Sie sich nur vor, Mylord: Ich habe Mr. Lytton für einen Kutscher gehalten. Nie hätte ich vermutet, den Hausherrn vor mir zu haben. Er kämpfte mit entblößtem Oberkörper. Und sein Gegner war der Dorfschmied.“ Sie warf Nicholas einen kurzen Blick zu. Woraufhin er ihr ein so warmes Lächeln schenkte, dass ihr ganz heiß wurde. Unwillkürlich wollte sie die Hand nach ihm ausstrecken, um ihn zu berühren. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie nicht allein waren.
Charles war ihre kleine Bewegung dennoch nicht entgangen. Und er konnte sie problemlos deuten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Jetzt, da er die schöne Mademoiselle Stamppe kennengelernt hatte, verstand er sehr gut, warum sein Freund sie vor der Welt hatte verstecken wollen. Es war nicht leicht, ihrem Charme zu widerstehen. Nicholas jedenfalls schien bis über beide Ohren verliebt zu sein.
Ja, seine Blicke verrieten ihn. So anbetungsvoll hatte Nicholas – soweit er das beurteilen konnte – bisher keine seiner Mätressen angeschaut. Er war von der schönen Serena hingerissen, daran konnte kein Zweifel bestehen.
„Ich hoffe, du hast gewonnen, Nick“, bemerkte Charles, „den Boxkampf, meine ich.“
„Selbstverständlich. Samuel konnte mir ein paar Schläge versetzen, doch zum Schluss war ich der bessere Kämpfer.“
„Wirst du nicht langsam zu alt für solch zweifelhafte Vergnügungen?“
Seufzend musterte Nicholas seine Hände, deren verletzte Fingerknöchel noch nicht ganz verheilt waren. „Ich fürchte, du hast recht. Doch wie du weißt, konnte ich einer Herausforderung noch nie widerstehen.“
„Das wird sich ändern, wenn du zum ersten Mal verlierst. Aber willst du es wirklich so weit kommen lassen? Du bist jetzt fast dreißig, alter Knabe. Zeit, vernünftig zu werden.“
„Das lass nur meine Sorge sein!“
„Es sind nur noch drei Monate bis zu deinem Geburtstag.“
„Ich möchte jetzt nicht darüber reden!“
Serena hatte erstaunt zugehört. Solche Gespräche zwischen Männern war sie nicht gewohnt. Nun allerdings fiel ihr wieder ein, in welch unmöglicher Lage sie selbst sich befand. Entschlossen erhob sie sich. „Sie beide haben sich sicher viel zu erzählen. Und ich muss mich verabschieden. Es war mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, Lord Avesbury.“ Mit einem kleinen Lächeln wandte sie sich Nicholas zu. „Darf ich Sie morgen noch einmal aufsuchen, Mr. Lytton? Es gibt da etwas, das ich gern mit Ihnen besprechen würde.“
Er hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken und flüsterte ihr, als er sich aufrichtete, zu: „Auch ich sehne mich nach einer … Lösung.“
Errötend entzog sie ihm ihre Hand. „Ich finde allein hinaus. Auf Wiedersehen.“
Nicholas und Charles verbrachten einen angenehmen Tag. Sie machten einen Ausflug mit Charles’ Phaeton, unterhielten sich über alles Mögliche und kehrten schließlich zu einem rustikalen Mahl in einem Gasthof ein paar Meilen von Knightswood entfernt ein.
Auf dem Heimweg berichtete Charles, dass er kürzlich Nicholas’ Stiefmutter und ihre Tochter bei Almack’s getroffen hatte. „Dein Schwesterchen herrschte wie eine Königin über ein ganzes Heer junger Dummköpfe.“
„Fandest du Georgie zu selbstsicher? Hast du mit ihr geredet?“
„Ich fand sie charmant. Und natürlich habe ich mit ihr und Melissa gesprochen. Georgie wollte wissen, wann du endlich zurück nach London kommst. Sie möchte dir selbst zeigen, wie viel Erfolg sie hat. Und Melissa … Nun ja, du kennst sie besser als ich.“
„Allerdings.“ Nicholas beobachtete kritisch, wie sein Freund einen von einem Ochsen gezogenen Leiterwagen überholte.
Nachdem der Vorgang abgeschlossen war, wechselte Charles das Thema. „Deine Serena ist wirklich ein Juwel erster
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