Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
alles anders.
Eine steile Falte stand auf Nicholas’ Stirn. Mit den Fingern der rechten Hand trommelte er leise einen beunruhigenden Rhythmus. Ansonsten wirkte er recht entspannt. Tatsächlich jedoch – das spürte Serena genau – beherrschte er sich nur mit größter Anstrengung.
„Nun sind wir also endlich allein“, stellte er schließlich mit einer Stimme fest, die Serena einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
„Ich habe Hughes aufgefordert, alle Besucher abzuweisen. Nachdem wir erst durch Jeffries und dann durch Charles Avesbury gestört worden sind, würde jede neuerliche Unterbrechung mich … erzürnen.“
Ihr Mund war mit einem Mal trocken. „Nicholas …“, begann sie unsicher.
Er hob die Brauen. „Sind Sie nervös? Das verstehe ich nicht. Unser kleines Erlebnis in der Scheune dürfte Ihnen gezeigt haben, wie sehr Sie meine … Zuwendung genießen. Ob unser Zusammensein auch mir gefallen wird, muss sich allerdings erst zeigen.“
Das Blut stieg ihr in die Wangen. Sie schluckte. „Warum benehmen Sie sich so garstig?“
„Garstig?“ Er lachte. „Das kommt Ihnen nur so vor. Wollen wir vielleicht eine Runde Karten spielen, damit Sie sich entspannen? Oder möchten Sie lieber würfeln? Ihr Papa hat Ihnen sicher gezeigt, was man tun muss, um auf jeden Fall zu gewinnen.“
„Er war kein Betrüger, und auch ich würde beim Spiel nie betrügen.“
„In anderen Situationen aber doch. Nicht wahr? Sie brauchen es nicht abzustreiten. Mir ist bekannt, dass Sie mich von dem Moment an, da wir die ersten Worte wechselten, hintergangen haben.“ Er griff in die Rocktasche und zog einen Brief hervor. „Ein Schreiben meines Anwalts, dem er eine Zeitungsannonce beigelegt hat. Ihr Onkel hat eine Anzeige in die Times gesetzt, um den Tod Ihres Vaters bekannt zu geben.“
In diesem Augenblick begriff sie, dass es zu spät war, Nicholas all das zu sagen, was sie sich vorgenommen hatte. Wenn er durch andere erfahren hatte, wer sie wirklich war, würde er ihr niemals ihr langes Schweigen vergeben. Mit beinahe tonloser Stimme fragte sie: „Sie haben Ihren Anwalt beauftragt, alles über mich herauszufinden?“
Erstaunlicherweise errötete Nicholas ein wenig. Schämte er sich? „Ich hatte keine Wahl“, stellte er fest, „da Sie die Wahrheit vor mir verbergen wollten.“
Ihre Knie fühlten sich weich an, doch Serena erhob sich und straffte die Schultern. „Ich muss Ihnen widersprechen. Sie hatten durchaus eine Wahl. Sie hätten sich ein wenig gedulden können. Als ich gestern hierherkam, war ich fest entschlossen, Ihnen alles zu erzählen. Da aber Ihr Freund Sie besuchte, musste ich mein Vorhaben auf heute verschieben.“
„Sie haben mich tagelang belogen.“
„O nein!“, rief sie erregt aus. „Ich habe bestimmte Dinge verschwiegen. Das ist alles. Und Ihnen schien das recht gut zu gefallen. Es gab Ihnen einen Grund, mir zu misstrauen und hinter meinem Rücken Auskünfte einzuholen.“
„Was soll das nun wieder heißen?“
„Sie hätten mich nach all dem fragen können, was Sie wissen wollten. Doch sie haben es vorgezogen, Ihren Anwalt mit Nachforschungen über mich zu beauftragen.“
„Hätten Sie mir denn die Wahrheit gesagt, wenn ich gefragt hätte?“
„Ja! Nein! Ach, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hätte ich Ihnen die ganze Geschichte erzählt.“ Sie schluckte die Tränen hinunter und fuhr ruhiger fort: „Erinnern Sie sich, wie es war, als ich meine Papiere endlich fand? Sie haben sich damit zufriedengegeben, dass ich sagte, es handele sich um das Testament meines Vaters und um Beweise für meine Identität. Wer ich wirklich bin, wollten Sie gar nicht wissen. Ich hätte es Ihnen auf der Stelle mitgeteilt, noch ehe ich das Siegel des Umschlags überhaupt geöffnet hatte. Sie jedoch waren nur daran interessiert, mit mir ein Treffen für den nächsten Tag zu vereinbaren.“
„Womit Sie durchaus einverstanden waren.“
Sie nickte. Dann musste sie einige Male durchatmen, ehe sie sich zu einem Geständnis überwinden konnte. „Die Vorstellung, abzureisen und Sie nie wiederzusehen, war mir unerträglich.“ Erneut stieg ihr das Blut in die Wangen. Eine Dame sprach im Allgemeinen nicht über solche Dinge, doch in ihrer Situation erschien es ihr unumgänglich. „Ich wollte so gern erleben, was wir in der Scheune begonnen haben. Inzwischen weiß ich, dass es ein nicht wiedergutzumachender Fehler war.“
Ihre Worte trafen ihn im Innersten. Sie gab
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