Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
los zu sein. Doch leider konnte sie all jene wundervollen Dinge nicht vergessen, die er mit ihr getan hatte und auf die sie nun für immer würde verzichten müssen. Es war wirklich unerträglich!
Verständlicherweise war sie tags darauf nicht gerade bester Laune, als ihr zwei Besucher gemeldet wurden. Es handelte sich um ihren Onkel Mathew, der von Mr. Acton über die Ankunft seiner Nichte informiert worden war, und um Edwin, seinen einzigen Sohn.
Serena setzte eine höfliche Miene auf, obwohl sie innerlich vor Zorn kochte. Nie hätte sie erwartet, dass ein Mann, der gerade erst versucht hatte, sie umzubringen, ihr einen Vormittagsbesuch abstatten würde.
„Mein liebes Kind“, begrüßte er sie, „wie wunderbar, dass wir uns endlich kennenlernen! Ich bin nach London gereist, sobald ich erfuhr, dass Sie hier sind. Wie geht es Ihnen?“ Er beugte sich über ihre Hand.
„Guten Tag, Onkel Mathew.“ Serena lächelte kühl. Ihr Onkel wies eine gewisse Familienähnlichkeit mit ihrem Vater auf. Aber während Letzterer stets ein sicheres, vornehmes Auftreten an den Tag gelegt hatte, wirkte sein jüngerer Bruder wie ein Landedelmann, dem es an gesellschaftlichem Schliff fehlte.
„Serena, dies ist mein Sohn Edwin. Auch er konnte es kaum erwarten, Sie endlich zu treffen. Edwin?“
Der junge Mann trat näher, verbeugte sich und sagte ein wenig schüchtern: „Sehr erfreut, liebe Cousine.“ Auch er besaß die strahlend blauen Augen der Stamppes. Mit seiner schlanken hochgewachsenen Gestalt und dem schmalen Gesicht hätte er als gut aussehend gelten können, wenn er über einen besseren Geschmack verfügt hätte. Doch leider trug er eine enge Hose, die seine Beine spindeldürr erscheinen ließ, einen übertrieben modischen Rock mit dicken Schulterpolstern und riesigen Messingknöpfen sowie ein Hemd mit einem extrem hohen gestärkten Kragen.
Serena unterdrückte das Bedürfnis, laut herauszulachen, während sie ihren Cousin betrachtete. Sie zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er viel zu eitel war, um Zeit für die Planung eines Mordes zu haben. Edwin mochte eine lächerliche Gestalt abgeben, gefährlich war er gewiss nicht.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte sie.
„Ein Glas Madeira wäre wundervoll, meine Liebe“, erklärte ihr Onkel. „Wollen wir uns nicht setzen? Ich möchte so gern mehr über Sie erfahren. Doch zuerst will ich Ihnen mein Beileid zum Tode Ihres Vaters, meines geliebten Bruders, aussprechen.“
Sie musterte ihn so kühl, dass er beinahe errötete. „Mein Verlust war sozusagen Ihr Gewinn, denn nun sind Sie der Earl of Vespian.“
„Ja“, stammelte er, „ich …“
„Allerdings haben Sie sich ja um den Besitz schon so lange gekümmert, dass er Ihnen seit Jahren wie Ihr Eigentum vorkommen muss.“
Mathew straffte die Schultern. „Ich habe stets mein Bestes getan. Vespian Manor und das dazugehörige Land befinden sich daher in einem sehr guten Zustand. Ich hoffe nur, dass es mir gelingt, meine erfolgreiche Arbeit mit den geringen Mitteln fortzusetzen, die mir bleiben, wenn ich Ihnen Ihr Erbteil ausgezahlt habe.“
Einen Moment lang schaute Serena ihm fest in die Augen. Sie hatte sich bereits ihr Urteil über ihn gebildet und fürchtete ihn nicht mehr. Er schien ein habgieriger Mann zu sein. Doch da er keinen besonders mutigen Eindruck machte, würde er es kaum wagen, des Geldes wegen noch einmal etwas gegen sie zu unternehmen.
Schweigen senkte sich über den Raum. Unruhig rutschte Edwin auf seinem Stuhl hin und her. Er spürte, dass seine schöne Cousine verärgert war, begriff jedoch nicht, was ihren Zorn hervorgerufen hatte. Er nippte an seinem Madeira und schaute besorgt von einem zum anderen.
Nach einer Weile ergriff sein Vater erneut das Wort. „Was vergangen ist, ist vergangen. Nun sollten wir unseren Blick auf die Zukunft richten. Edwin und ich freuen uns darauf, Sie von nun an öfter zu sehen. Bestimmt werden wir …“ Plötzlich kam ihm eine Idee. Ja, so konnte er all seine Probleme auf einen Schlag lösen. Ein genialer Plan! Ich werde dafür sorgen, dass Serena und Edwin ein Paar werden. Dann wird ihm ihr Vermögen zufallen, und ich … Doch schon überkamen ihn Zweifel. Seine Nichte war eine selbstbewusste, gut aussehende Frau mit einem hervorragenden Geschmack. Edwin hingegen – das musste er sich trotz aller väterlichen Liebe und Nachsicht eingestehen – war ein unreifer Junge, ein Geck, der nicht wusste, was gut für ihn war. Wie konnte er
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