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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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einem Treffer wären Sie verblutet. Die dritte Kugel hat die kompliziertesteVerletzung verursacht. Das Projektil ist in Ihren Bauchraum eingedrungen. Ich musste die Milz entfernen, habe Sie danach wieder so gut es geht zusammengeflickt. Mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln, muss ich einschränkend dazusagen. So ein massiver Eingriff ist selbst bei optimaler medizinischer Versorgung unberechenbar. Dazu kommt eine wohl etwas ältere Schussverletzung in der Leiste, ebenfalls ein Durchschuss. Diese Wunde hat sich entzündet. Alles in allem würde ich Ihren Zustand als besorgniserregend beschreiben. Ich kann Ihnen nichts versprechen.«
    Krauss nahm die Diagnose gelassen hin. Wie sollte er dem Arzt erklären, dass ihm eine tödliche Kugel lieber gewesen wäre? Und dass er nicht im Entferntesten daran dachte, um sein Leben zu kämpfen?
    »Lassen Sie mich sterben«, murmelte Krauss, oder er meinte, es gemurmelt zu haben.
    »Das werde ich nicht tun«, antwortete Weinberg. Offensichtlich hatte er seinen Patienten verstanden. »Das verbietet mir mein Berufsethos. Außerdem sollen Sie ein hohes Tier bei der Gestapo getötet haben. Dafür verdienen Sie meinen Respekt. Drittens gibt es Menschen, die unbedingt wollen, dass Sie überleben.«
    Wer mochte das sein?, fragte sich Krauss sofort. Bisher hatte er nicht weiter darüber nachgedacht, wie er überhaupt in dieses Zimmer gekommen war. Irgendwie erschien es ihm logisch, dass Edgars Männer ihn gefunden hatten, er sich also in irgendeinem Gestapo-Verlies befand. Weinbergs Worte allerdings deuteten in eine völlig andere Richtung. Was war wirklich passiert? Wer hatte ihn gerettet? Weinberg? Was hatte der am See zu suchen? Krauss konnte kein einziges Bild abrufen, sein Gedächtnis war ein unzugänglicher Raum.
    »Wo bin ich?«, flüsterte er.
    »Das muss Sie im Augenblick nicht interessieren. Es genügtzu wissen, dass Sie an einem Ort sind, an dem man Sie nicht vermutet. Die Gestapo wähnt Sie auf dem Grund des Wannsees. Da haben Sie es vergleichsweise gut getroffen, würde ich sagen.«
    Weinbergs galliger Humor war der eines Mannes, den man seiner Illusionen beraubt hatte, dachte Krauss. Er begriff immer weniger. Wenn die »Söhne Odins« nicht hinter seiner Rettung steckten, wer dann? Er wollte Weinberg fragen, gurgelte aber nur unverständliches Zeug.
    »Investieren Sie Ihre Kräfte lieber in Ihre Genesung. Sie erfahren noch früh genug die Umstände Ihrer Rettung. Vielleicht früher, als Sie denken. Ich schicke Ihnen jetzt erst mal meine Frau herein. Sie heißt Inge. Lassen Sie sich von ihr etwas Suppe einflößen. Denn Sie haben nicht nur viel Blut, sondern auch Gewicht verloren. Wir konnten Sie nur notdürftig mit Infusionen versorgen.«
    Der Arzt beugte sich zum ersten Mal vor, näher an Krauss’ Gesicht heran. Seine Stimme wurde leiser, blieb aber bestimmt.
    »Wenn Sie meinetwegen nicht weiterleben wollen, tun Sie es wenigstens meiner Frau zuliebe. Inge kann es nicht ertragen, Sie hier sterben zu sehen. Und ich kann es nicht ertragen, meine Frau um einen Fremden trauern zu sehen. Dazu haben wir so schon mehr als genug Gründe. Also, tun Sie mir den Gefallen, und bleiben Sie am Leben. Sterben können Sie später noch.«
    Weinberg drehte sich um und verließ den Raum. Krauss blieb allein zurück, starrte verzweifelt an die hohe Decke. Für das, was er im Leben getan hatte, gab es keine Entschuldigungen. Nur Strafen. Der Tod wäre eine Gnade gewesen, die ihm nicht zustand. Er hatte es verdient zu leiden. Er hatte es verdient zu leben.Als sich Krauss beim vierten Löffel Brühe so heftig verschluckte, dass er fast erstickte, hatte Weinbergs Frau ihre Bemühungen abgebrochen. Es war zu früh, der Patient zu schwach. Kurz nachdem sie gegangen war, dämmerte Krauss wieder weg. Ein Geräusch weckte ihn auf. Neben seinem Bett stand Weinberg, als hätte er sich von dort gar nicht wegbewegt. Krauss hatte sein Zeitgefühl komplett verloren. In dem Raum gab es kein Tageslicht, an dem er sich hätte orientieren können.
    »Sie wollten wissen, wo Sie sind und wer Sie hierher gebracht hat, richtig?«, sagte Weinberg. »Nun, ich habe hier jemanden, der Ihre Fragen beantworten wird.«
    Weinberg trat einen Schritt beiseite. Hinter ihm schälte sich eine zweite Gestalt aus dem Schatten. Es war ein Mann, er trug einen grauen Pullover und darunter ein weißes Hemd. Er trat ins Licht, so dass Krauss sein Gesicht erkennen konnte. Wache, blaue Augen über einer etwas zu klein geratenen Nase

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