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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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legte er das Notizbuch sachte in die Tasche zurück.
    »Bolzen, kannst du bei mir auch neue Schlösser einbauen, wenn du hier fertig bist?«
    »Klar.«
    Der Bolzen sah ihn forschend an, kommentierte jedoch mit keinem Wort, dass Meijtens offenkundig ausgezogen war. Das war nicht sein Stil.

15 Meijtens trank einen Schluck von dem Blümchenkaffee und sah aus dem Fenster. Die gestreiften Vorhänge hingen dort wahrscheinlich schon seit den Siebzigerjahren. Das Fenster bot eine Aussicht auf ein dreistöckiges Mietshaus, das genauso düster und grau war wie das, in dem er selbst sich gerade aufhielt. Er nahm an, dass die ganze Siedlung in den Fünfzigerjahren erbaut worden war, um Wohnraum für Sandvikens Industriearbeiter zu schaffen.
    Arvid und Lillemor Lindman bewohnten eine unpersönliche Dreizimmerwohnung. Die kleinen Spitzendeckchen waren perfekt gemangelt und die Nippesgegenstände tadellos geordnet. Erik Lindman war mit Bestnoten und Wissenshunger durchs Leben gegangen. Dennoch beherbergte sein Elternhaus ganze fünf Bücher, darunter das Manifest der kommunistischen Partei und einem Probeband eines Lexikons mit den Einträgen von Rotkehlchen bis Sirene.
    Arvid Lindman war hager, sein Rücken leicht gekrümmt, und seine grauen Haare lagen in einem ungeordneten Wirbel auf dem Kopf. Seine Frau war genauso dünn, auf ihren schmalen Lippen lag ein geistesabwesendes Lächeln, und ihre Haare hatte sie zu einem Dutt gebunden.
    »Darf es noch eine Tasse Kaffee sein?«, erkundigte sich Lillemor Lindman.
    »Danke, gern«, antwortete Meijtens und war froh, dass das Schweigen gebrochen wurde, denn bislang hatte das Ehepaar Lindman nicht viel über den verschollenen Sohn zu erzählen gehabt. Er hatte ihnen vor seinem Verschwinden nichts von seinen Plänen gesagt, sie hatten seither nichts mehr von ihm gehört und wussten nicht, was aus ihm geworden war. Ansonsten bestätigten sie stolz das Bild von Erik als einem begabten, beliebten und gut gelaunten Menschens Arvid Lindman war anfangs erstaunlich still. Auf dem Couchtisch vor ihm lagen einige Papierstapel, die aus alten Zeugnissen, Zeitungsausschnitten und Fotokopien zu bestehen schienen. Von Zeit zu Zeit verschob er mit ruckartigen Bewegungen ein Blatt, so als würde er eine Aussage vorbereiten, die jedoch niemals kam.
    Das Ehepaar schien nichts dagegen zu haben, ein weiteres Mal von einem Journalisten befragt zu werden, vielleicht auch, weil die letzte Gelegenheit mittlerweile schon so lange zurücklag. Meijtens hatte ihnen dieselbe Geschichte von dem Artikel über verschwundene Menschen aufgetischt wie Åke Sundström. Schließlich stellte er die zentrale Frage. Er hatte auf den richtigen Augenblick gewartet, auf ein Zeichen von Vertrauen bei dem alten Ehepaar.
    »Was ist Ihre Meinung zu den Vermutungen, die damals in den Zeitungen standen, dass Erik sich in die Sowjetunion abgesetzt haben soll?«
    Sie sagten nichts, schauten nur zu Boden. Lillemor Lindman seufzte.
    »Ich meine«, fuhr Meijtens fort, »es kann für Sie ja nicht leicht gewesen sein, so etwas zu lesen.«
    Daraufhin explodierte Arvid Lindman plötzlich.
    »Sie haben ihn verleumdet«, fauchte er.
    Der überraschende Wutausbruch ließ Meijtens zusammenzucken.
    »Sie haben ihn verleumdet und verfolgt! Er war zu gut für sie, zu intelligent und zu gefährlich.«
    Auf einmal war sein Kopf hochrot, und er richtete sich halb auf, während er seine Papierstapel wieder umschichtete. Lillemor Lindman sah aus dem Fenster und stieß ein verächtliches Schnauben aus, aber es war unklar, ob es denen galt, die Lügen über ihren Sohn verbreitet hatten, oder ihrem cholerischen Gatten. Meijtens war zu verblüfft, um eine Anschlussfrage zu stellen, aber das war auch gar nicht nötig, denn im nächsten Moment legte Arvid Lindman wieder los.
    »Und Diplomat durfte er auch nicht werden. Diese Drecksäcke haben ihn verjagt!«
    Meijtens fühlte sich verpflichtet einzuwenden, dass Erik doch von sich aus die Ausbildung zum diplomatischen Dienst abgebrochen habe.
    »Ausbildung zum diplomatischen Dienst!«, brüllte Arvid Lindman. »Mit seinen Noten und Abschlüssen setzen sie ihn in eine Ausbildung für Anwärter zum diplomatischen Dienst. Hätte er einen vornehmen Namen wie Virgin oder Wallenberg gehabt, hätten sie ihn auf der Stelle zum Botschafter ernannt! Das sind doch alles verdammte Schweinehunde!«
    Meijtens lächelte matt und tat so, als würde er sich etwas notieren. Arvid Lindman suchte alte Zeugnisse heraus und berichtete

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