Ein Freund aus alten Tagen
schlechte Nachrichten erhalten? Wurde sie überredet, etwas zu tun, was sie nicht wollte?
Als sie schließlich etwas sagte, klang es in Meijtens’ Ohren wie eine Explosion.
»Dann musst du mit ihnen reden.«
Sie drückte die Zigarette aus. Meijtens wich erneut zurück und glaubte, das Geräusch eines Aschenbechers zu hören, der auf dem Metalltischchen wackelte, als würde jemand eine Kippe mit Nachdruck hineindrücken. Anschließend wurde die Balkontür geschlossen.
Meijtens trat langsam auf die Straße hinaus. Eine Dame mit einem kleinen Hund an der Leine glotzte ihn misstrauisch an. Er lächelte erst sie und dann den Hund an.
»Der Türcode macht mal wieder Probleme«, sagte er und verdrehte die Augen.
Nach kurzem Zögern erwiderte sie freundlich sein Lächeln.
Genau wie Sonia Terselius telefonierte er, sobald er die Wohnungstür hinter sich zugezogen hatte. Natalie wollte wie üblich eine detaillierte Beschreibung haben und zwang ihn, mehrmals zu wiederholen, was er gehört hatte, und zwar so exakt wie möglich.
»Das erklärt jedenfalls eines.«
Sie verstummte gedankenverloren, und Meijtens erinnerte sie gereizt daran, dass er noch am Apparat war.
»Es geht um Wijkman, erst hat er sich geweigert, mich zurückzurufen, aber vor zehn Minuten hat er dann angerufen und will sich morgen schon mit mir treffen. Er klang fast, als läge ihm wirklich etwas daran, zumindest war er freundlich.«
21 Natalie betrat mit schnellen Schritten das Nationalmuseum und eilte die Treppe zum Museumscafé hinunter. Sie fand, dass Carl Wijkman einen seltsamen Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Er hatte sich an einem Tisch in der hinteren Ecke des Raumes niedergelassen, den Rücken zur Wand und mit einem guten Überblick über das fast menschenleere Lokal. Als er sie sah, stand er auf und ließ in einer offenkundig zur Gewohnheit gewordenen Geste eine Hand über sein grafitgraues Jackett gleiten, um sich zu vergewissern, dass es richtig saß.
»Hallo. Ich kenne Sie aus dem Fernsehen.«
Sein Lächeln war warmherzig und sein Händedruck fest. Sie hatte ebenfalls keine Probleme, ihn anhand der Veritas-Bilder zu identifizieren, die sie gefunden hatten. Carl Wijkman hatte sich seinen jugendlichen Charme bewahrt, obwohl er inzwischen Anfang fünfzig war. Seine Augen waren hellwach, und die dunklen Haare hatte er zu einer jungenhaften Frisur mit Pony schneiden lassen, in dem es nur einzelne graue Haare gab. Er war auffallend klein, trug seinen teuren Anzug jedoch mit selbstverständlicher Eleganz. Du bist mit beeindruckender Leichtigkeit in deine angeborene Hülle zurückgeglitten, dachte sie.
»Mein Büro ist ganz in der Nähe, aber ich fand es besser, dass wir uns hier treffen. Ich möchte nicht, dass die ganze Firma über meinen Interviewtermin mit Natalie Petrini redet«, ergänzte er lächelnd.
Das war clever, dachte sie. Er hatte ihre Verwunderung über den Treffpunkt erkannt und eine unschuldige, mit einer Schmeichelei versüßte Erklärung gefunden. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass eine abgehalfterte Fernsehmoderatorin einer Andeutung von Interesse durch den großen Medienkonzern nicht würde widerstehen können.
Wijkman bot ihr an, für sie beide Kaffee holen zu gehen. Offenbar war er ein Mann, dem höfliche Gesten in Fleisch und Blut übergegangen waren. Natalie studierte ihn diskret, während er zur Serviertheke ging.
Als Johan Rooths Geschichte über Carl Wijkman abbrach, war dieser ein lebensfroher Rebell gewesen, der gerade eine Laufbahn als Journalist eingeschlagen hatte. Die kurz gefasste Beschreibung wurde seiner Karriere nicht gerecht, aber Natalie hatte keine Probleme gehabt, die Lücken mithilfe öffentlicher Dokumente und einiger Gespräche mit gut vernetzten Quellen zu schließen.
Carl Wijkman hatte die Zeitungswelt schon bald nach seiner Ankunft in Stockholm zugunsten einer Karriere als politischer Beamter aufgegeben. Erst als Redenschreiber und danach, Ende der Sechzigerjahre, als Pressesprecher für eine Reihe von Ministern und schließlich bis zur Abwahl der sozialdemokratischen Regierung 1976 als Staatssekretär. Der Übergang hatte sich ganz natürlich vollzogen. Er hatte zu einer größeren Gruppe ehemals radikaler Studenten gehört, die in die Partei der regierenden Sozialdemokraten eintraten. Anfangs hatten sie einen linken Flügel gebildet, sich aber schon bald an die Parteimitte angepasst. Ihr Lebensweg war kein Geheimnis, und man war allgemein der Meinung, dass ihre Aufnahme ein kluger
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