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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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war beschlagen. Seine Bodyguards säumten ihn beidseitig. Der Himmel hing sehr tief. Meine Teppiche hatten sich in Fischköder verwandelt, und die Titanic war am Sinken. »Alle hier drin«, rief Mac, und selbst in dieser Extremsituation klang seine Stimme so süß und zart wie die einer Kindergärtnerin, »alle den Berg rauf zu meinem Haus!«
    Wir kommen gleich, wollte ich ihm sagen, Andrea fischt nur noch ein paar schwimmende Taschenbücher auf und rettet die wichtigsten Küchengeräte, und du brauchst uns auch nicht zweimal zu bitten – aber zuerst die Tiere. Draußen, mitten im ärgsten Wolkenbruch entdecken Chuy und ich, daß einer der Großen Ameisenbären ertrunken ist. Ich weiß nicht, ob man sich einen Großen Ameisenbären so einfach vorstellen kann – das ist die Sorte Kreatur, die auch sonst nicht so recht real aussieht: Irokesenschnitt, überpelzte Bärentatzen und einen dicken Gartenschlauch als Maul –, aber jetzt wirkt er sogar noch weniger überzeugend. Einfach nur tot. Aus und Schluß. Und wahrscheinlich gibt’s kaum mehr als dreißig oder vierzig davon auf der Erde. Der Regen, Andrea, mein Knie, Mac, die Bedrohung durch die Mucosa, das ist mir alles egal, ich möchte mich am liebsten hinsetzen und heulen.
    Lily ist zum Glück unversehrt – sie hat sich einen Erdhaufen zusammengescharrt, hoch wie ein Grabhügel, und liegt obendrauf wie ein nasser Teppich. Die Löwen finden wir übereinandergestapelt auf dem Dach des Betonhäuschens ganz hinten in ihrem Käfig, wo sie sich die Kehle aus dem Leib brüllen. Dandelion, das Männchen, sieht aus wie zweimal ertrunken und zweimal wiederbelebt, die Mähnenquasten schlenkern ihm um die Backen wie eine halbfertige Makrameearbeit. Amaryllis und Buttercup, die beiden Löwinnen, die Mac aus dem Katalog einer Zuchtanstalt in Ohio bestellt hat, sehen nicht viel besser aus. Ihre Blicke besagen, daß sie am liebsten neurotisch an dem Maschendrahtzaun, der ihre zweitausend Quadratmeter große Savanne umgrenzt, auf und ab marschieren würden, nur steht in dem Gehege jetzt eine ein Meter hohe hustenschleimfarbene Brühe voller Siamesischer Wanderwelse (hab ich erzählt, daß irgendein Umweltschutz-Anarcho vor zwanzig Jahren ein halbes Dutzend dieser Fische in Carpinteria ausgesetzt hat, kurz bevor das Wetter verrückt spielte?).
    »Chuy«, sage ich und drehe mich zu ihm und den zwei hoffnungslos dreinblickenden Leibwächtern um, »mit den Löwen haben wir ein Problem. Wenn wir ihnen einen Pfeil verpassen, fallen sie uns womöglich in die Soße da rein und ersaufen, und wenn wir nur mit einem Netz reinwaten, reißen sie uns am Ende den Kopf ab.«
    Die Bodyguards – die alle beide Al heißen, glaube ich – vermitteln den Eindruck, als hörten sie das nicht so gern. Eine dreieinhalb Zentner schwere Raubkatze mit scharfen Klauen und Zähnen durch hüfthohes Wasser zu bugsieren und auf die Ladefläche des Olfputt zu hieven ist keine Kleinigkeit, ob das Tier nun bewußtlos ist oder nicht. Und dann – wie aufregend – müssen sie mit den zwei Löwenweibchen das gleiche Spiel noch mal abziehen.
    Chuy blinzelt im Regen, die sehnige Gestalt vornübergebeugt, und überdenkt das Problem. Sein Regenmantel, der an den Armen mindestens drei Nummern zu groß ist, hat eine blaßrötliche Farbe und ist reichlich mit Rorschachklecksen aus Öl, Schimmel und Tierblut übersät. »Aber sie können schwimmen, Mr. Ty, nadan estos gatos , und ich denke, vielleicht wir können sie aneinanderbinden wie caballos, ja, um den Hals und dann das Seil anbinden hinten am Wagen, und dann... es una idea ...?«
    Ich bin kaputt. Alt und kaputt. Der Regen fällt wie eine Trillion von Hämmern, Schlag auf Schlag prasselt er auf mich nieder. »Du meinst, wir ziehen sie hinter uns her?«
    » Sí . Und wenn sie erst sehen weit offen la puerta zum Keller von Mr. Mac, schön warm und trocken, dann está claro , wohin sie gehen wollen, verdad ?«
    Oder wir lassen sie einfach, wo sie sind. Das Wasser wird wahrscheinlich nicht bis zu ihnen steigen, sage ich mir, andererseits kann es ihnen nicht guttun, tagelang triefnaß zu sein – sie kriegen bestimmt eine Erkältung oder so. Wie war denn das in Afrika – in dem Afrika von früher? Da hatten sie auch keine Löwengehege, um es sich gemütlich zu machen – und auch keine millionenschweren Popstars mit holzgetäfelten Kellern voller Teppiche und Pingpongtische. Ja. Klar. Und da sind sie auch verreckt, alle bis auf den letzten, gehetzt und gehäutet und

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