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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schwabbelnd, große hervorquellende Seelöwenaugen): Können Sie Gründe vorbringen, weshalb die minderjährige Sierra Sarah Tierwater zurück in die familiäre Obhut ihres Vaters und ihrer Stiefmutter entlassen werden sollte, gegen die beide in diesem County mehrere Verfahren anstehen?
    Fred (klein und kahl, ein lodernder Docht der Lebensenergie und hellauf empört): Aber Euer Ehren, bei allem Respekt, dabei handelte es sich um einen friedlichen Bürgerprotest, meine Mandanten haben ihr Recht auf die Freiheit der Meinungsäußerung und der öffentlichen Versammlung wahrgenommen...
    Richter Duermer (von einem Blatt Papier ablesend, Sierra war nirgends zu sehen): Tätlicher Angriff auf einen Einsatzbeamten, Widerstand gegen die Verhaftung, Fluchtversuch, Gefährdung eines Kindes, Anstiftung einer Minderjährigen zu strafbaren Handlungen. Also wirklich, Herr Verteidiger, das sind schwerwiegende Vorwürfe, und bis das Urteil darüber gefällt ist, kann ich es unmöglich zulassen, daß dieses Kind den Eltern übergeben wird.
    Sierras Anwalt (ein Rauschebart im dreiteiligen Anzug, Nase und Kinn kaum wahrnehmbar in den Fleischwülsten seines Gesichts): Euer Ehren, im Namen des Volkes beantrage ich, Sierra Sarah Tierwater bei einer Pflegefamilie unterzubringen, bis die Eltern unter Beweis gestellt haben, daß sie geeignete Maßnahmen ergreifen – wie zum Beispiel die Teilnahme an Elternkursen sowie die Unterlassung weiterer krimineller Handlungen –, um das Gericht davon zu überzeugen, daß sie tatsächlich in der Lage sind, dieses Kind zu erziehen.
    Fazit? Tierwater, dem immer noch drei Monate Gefängnis wegen seiner Vergehen ins Haus standen, erhielt die Anweisung, einen staatlich anerkannten Elternkurs zu belegen und seine befleckte Weste für den Zeitraum der nächsten zwölf Monate blitzsauber zu halten, und erst dann würde das Gericht eine Entscheidung treffen. Wieder zurück nach Los Angeles, voll dumpfer Verzweiflung und siedendem Haß. Er starrte aus dem Autofenster auf die Bäume, und sogar die tote Hülle der ausgebrannten Planierraupe, die er zwischen Cottonwood und Red Bluff erspähte, freute ihn nicht. Kriminelle Handlungen. Diese moralinsauren, puritanischen Arschlöcher – die sollten noch ihr blaues Wunder erleben. So dachte Tierwater, aber der Gedanke kam und ging wieder. Rachephantasien brachten einen nirgendwohin. Verzweiflung dagegen sehr wohl. Verzweiflung brachte einen dazu, sich der Schwerkraft hinzugeben und vor dem ewig quasselnden Fernseher in einem gemieteten Haus in irgendeiner palmengesäumten Vorstadtstraße eins zu werden mit der rissigen Ledercouch. (Gebt mir meine Tochter zurück, und ich rupfe die Fleckenkäuze und haue sie persönlich in die Pfanne, ohne mit der Wimper zu zucken; so fühlte ich mich damals, denn ich war knapp davor aufzugeben, ich war ein Opfer, ein Schmock, zermalmt unter den Stiefeln von Richter Duermer und Sheriff Bob Hicks.)
    »Komm schon, Ty«, sagte Andrea und versuchte es mit einem Lächeln, dahinter allerdings wirkte sie entschlossen, »krieg dich wieder ein! Wir wehren uns dagegen, okay? Es wird alles gut werden. Bestimmt.«
    Es war ein ganz gewöhnlicher heißer Morgen, vierzig Grad um elf Uhr früh, und das San Fernando Valley wurde gebrannt wie billige Keramik. Der trockene Wind, den sie den Santa Ana nannten, raschelte im Laub der Grapefruitbäume im ausgedörrten Garten – da war nichts mehr, kein Grashalm, nicht einmal ein Erdhörnchenhügel – und knallte die toten Wedel der Palmen vor dem Haus aneinander, daß es klang wie Säbelgerassel. Sie wohnten in einer Gegend namens Tarzana, benannt nach dem Herrscher des Dschungels, dank dessen konstantem Marktwert sein Schöpfer das große Stück Land damals aufkaufen konnte, um es in seine Ranch, sein Reich zu verwandeln, in ein staubtrockenes, kaum bewässertes, aber mit Zitrusbäumen übersätes Landgut samt Villa mitten in der Neuen Welt – was für ein Beispiel für Veränderung. Inzwischen war Tarzana Teil der stinkenden, ungeheuerlichen, blasenschlagenden Megalopolis – übrigens Teos Heimatstadt –, und E.F.! hatte hier ein Büro für die Region Los Angeles angemietet. Warum? Weil Teo die Gegend kannte und weil es ruhig und uninteressant war, ein Ort, wo die Menschen in ausländischen Autos zur Arbeit fuhren und ihre Ranchhäuser im klassischen Stil der Fünfziger alle zwei Jahre neu strichen, immer in denselben zwei Grundfarben. Öko-Sabotage? Nie davon gehört.
    Teo und Andrea hatten keine

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