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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Keuschheitsgelübde gebrochen, das sie vor einer Woche beim Betreten des Nationalparks abgelegt hatten: kein Sex auf Grizzlyterrain. Kein Sex. Das war gesunder Menschenverstand, und sie hatten es mehrfach debattiert, kühl und unvoreingenommen im Flugzeug nach Kalispell und sehr gefühlvoll im Motelzimmer am Abend, bevor sie in die Einsamkeit aufgebrochen waren – sie war ganz Haut und Hitze und warmer, keuchender Atem gewesen, und sie mußten es an die zehnmal getan haben, eingedenk des bevorstehenden Entzugs. Aber es waren hier vor kurzem zwei Frauen getötet worden –getötet und verstümmelt, eine von ihnen sogar teilweise aufgefressen –, und sie wollten nichts riskieren.
    Es war die Wildnis, jedenfalls so wild, wie es 1979 auf dem Planeten Erde noch sein konnte. Tierwaters Herz ging ein klein wenig rascher, wenn er sich vorstellte, daß es hier draußen Kreaturen gab, die in der Lage und auch willens waren, Menschen anzugreifen und womöglich gar zu fressen – gewaltige, um die vierhundert Kilo schwere Bären, die einem Rennpferd davonlaufen konnten und einen besseren Geruchssinn besaßen als eine Meute Bluthunde, echte Serienkiller, die Spitze der Nahrungskette. Jane faszinierte es genauso. Das hier war nicht Westchester County, wo das Gefährlichste, was einem begegnen konnte, eine Schwarze Witwe in der Duschkabine war oder vielleicht eine Kupferkopfnatter, die schattenhaft in die Ritze eines Mäuerchens entschlüpfte. Das hier war ursprünglich. Die ungezähmte, nichtsterile Natur. »Kennst du den wissenschaftlichen Namen für Grizzlys?« hatte er sie gefragt, als die Maschine in den Sinkflug ging und das Fahrwerk rumpelnd einrastete. » Ursus arctos horribilis . Horribilis! Ist das nicht irre?« Das war es, auch für sie. Er konnte es am Glanz ihrer Augen sehen und daran, wie sie ihm das Gesicht zuwandte. »Und diese zwei Frauen? Stimmt es, daß die gerade ihre Menstruation hatten?«
    »Man muß sich mal klarmachen, daß die Viecher auf ihre Nase angewiesen sind – sie müssen alles erschnüffeln: Winterportulak, Kiefernzapfen und Aas, das kaum richtig tot ist. Weil sie nämlich nie genug zu fressen kriegen können und ihr ganzes Leben ein ständiger Gang zur Salatbar mit einem schönen Stück Fleisch als Beilage ist. Tja. Die Frauen hatten ihre Regel, und vielleicht hatten sie auch Parfum benutzt. Ein Grizzly riecht so was – Blut – kilometerweit. Das ist, als ob man eine Essensglocke läutet ...«
    »Ach, komm!«
    »Doch. Und deshalb gibt’s keinen Sex. Sie können unsere Sekrete riechen.«
    »Ach, komm!«
    »Nein, wirklich. Letzten Sommer, hier im Glacier Park, wurde ein Pärchen im Zelt umgebracht. Nachts. Von einem Bären. Sie waren – jedenfalls wurde das nach der Untersuchung gesagt – gerade mitten dabei.«
    Also die Pfannkuchen. Die Pfanne war schwarz, innen wie außen, der Ruß zog sich wie Lack den Stiel entlang. Tierwater schlug nach Moskitos und würgte Janes Kreationen hinunter, die nach verschmortem Sägemehl schmeckten, und sah dabei zu, wie seine Frau ihre Portion aß. Sirup gab es keinen. Sirup war ein zu starkes Bärenlockmittel. Das Getränk der Wahl? Teichwasser, frisch aus der Blechtasse.
    Was ein starkes Bärenlockmittel war und was nicht, hatte am Vorabend eine weitaus geringere Rolle gespielt. Sie waren jetzt eine Woche hier – eine vorbei, noch eine vor sich – und sammelten den Kot des Gelbbauch-Murmeltiers, den sie in Pausenbrottüten abfüllten. Jane war Doktorandin in Wildbiologie, und eine ihre Professorinnen untersuchte, aus Gründen, die nur ihr selbst ersichtlich waren, die Nahrungsvorlieben der Murmeltiere des Glacier National Park. Nun mußte Dr. Rosenthal aber für zwei Wochen auf eine Rodentia/Sciuridae/Mustela- Konferenz nach Toronto, worauf Tierwater und Jane sofort die Gelegenheit ergriffen, sie bei ihrer Studie kurz abzulösen, obwohl das bedeutete, daß sie Sierra bei ihrer Großmutter in Watertown lassen mußten. Das schmerzte. Dennoch gab es keinerlei Diskussion darüber – für Jane war es eine Chance für Feldforschung und ein paar Bonuspunkte bei ihrer Freundin und Mentorin Dr. Sandee Rosenthal, der weltweit führenden Murmeltierexpertin, und außerdem war es eine Chance für Tierwater und seine Frau, miteinander allein zu sein, romantisch allein, in idyllischer Umgebung. Ein zweites Mal Flitterwochen, herrlich.
    Nur eben kein Sex – es wäre zu gefährlich gewesen.
    Allerdings, als Jane einen Joint anzündete und ihre nackten Beine in seinen

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