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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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Valentina den Teller aus der Hand, stellte ihn auf seinen Tisch und rückte mit dem Fuß einen Stuhl ein Stück ab.
    Valentina setzte sich schweigend.
    »Aus Moskau?«
    Sie nickte.
    »Schon lange?«
    »Anderthalb Monate.«
    »Ja, siehst auch aus wie ein Greenhorn.« Sein Blick war offen und freundlich. »Und was machst du so?«
    »Babysitter, Lehrgänge.«
    »Prima!« lobte er. »Hast dich schnell zurechtgefunden.«
    Valentina klappte ihr Sandwich auseinander.
    »Nicht doch! Nicht doch! Wer macht denn so was! Die Amerikaner werden das nicht verstehen. Das ist heilig: Reiß den Mund weit auf, und sieh zu, daß kein Ketchup raustropft.« Geschickt biß er den hervorquellenden Belag rund um das Sandwich ab. »Das Leben hier ist einfach, es gibt nur ein paar Gesetze, aber die muß man kennen.«
    »Was für Gesetze?« fragte Valentina, die ihre Sandwichhälften folgsam wieder zusammengeklappt hatte.
    »Das hier ist das erste. Und das zweite: Lächeln!« Er lächelte mit vollem Mund.
    »Und das dritte?«
    »Wie heißt du?«
    »Valentina.«
    »Mmm«, brummte er. »Valetschka . . .«
    »Valentina«, korrigierte sie ihn. Valetschka konnte sie seit ihrer Kindheit nicht ausstehen.
    »Valentina, eigentlich kennen wir uns ja kaum, aber ich verrat es dir. Das zweite Newtonsche Gesetz lautet hier: Lächeln, aber nicht den Arsch hinhalten.«
    Valentina lachte, und Ketchup floß auf ihren Schal.
    »Trotzdem, das dritte noch.«
    Alik wischte den Ketchup ab.
    »Erstmal muß man die beiden ersten beherrschen. Die Sandwichs hier sind die besten in ganz Amerika. Best in Amerika. Das ist sicher. Die Bude ist fast hundert Jahre alt. Hier sind schon Edgar Allan Poe, O’Henry und Jack London hergekommen und haben Sandwichs für zehn Pence gekauft. Übrigens, die Amerikaner kennen diese Schriftsteller gar nicht. Höchstens Edgar Allan Poe, den nehmen sie vielleicht in der Schule durch. Wenn der Wirt hier wenigstens einen von ihnen kennen würde, hätte er unbedingt ein Bild von ihm aufgehängt. Das ist unser amerikanisches Unglück: Mit den Sandwichs ist alles bestens, aber mit der Kultur hapert’s. Dabei war der Enkel vom ersten Katz, ich red nicht von Adam, sondern vom Besitzer hier, der Enkel von dem war ganz bestimmt in Harvard, und der Urenkel hat an der Sorbonne studiert und tod-sicher bei der Studentenrevolution achtundsechzig mitgemacht.«
    Valentina genierte sich zu fragen, welche Studentenrevolution Alik meinte, aber er legte sein Sandwich beiseite und redete schon weiter:
    »Die Gurken sind aus dem Faß. Solche findest du nirgends. Die legen sie selber ein. Ehrlich gesagt, ich mag sie gern weich und ein bißchen matschig. Aber so ist’s auch nicht schlecht. Wenigstens ist kein Essig dran . . . Überhaupt, diese Stadt ist umwerfend. Hier gibt es alles. Die Stadt der Städte. Ein babylonischer Turm. Aber er steht, und wie!« Er schien gar nicht mit ihr zu sprechen, sondern mit einem Abwesenden zu streiten.
    »Aber sie ist so schmutzig und düster, und es gibt so viele Schwarze«, wandte Valentina sanft ein.
    »Du kommst aus Rußland und findest Amerika schmutzig? Nicht schlecht! Und die Schwarzen, die sind das Beste, was New York zu bieten hat! Magst du etwa keine Musik? Was ist denn Amerika ohne Musik? Und diese Musik ist schwarz, es ist schwarze Musik!« Er war empört und gekränkt. »Und überhaupt, davon hast du noch keine Ahnung, also halt lieber die Klappe.«
    Sie waren fertig mit dem Essen und gingen hinaus. An der Tür fragte Alik:
    »Wohin willst du?«
    »Zum Washington Square. Da ist mein Lehrgang.«
    »Machst du Englisch?«
    Sie nickte. »Advanced.«
    »Ich bring dich. Ich wohne da in der Nähe. Wenn man zum Astor Place hochläuft und dann da lang weiter«, er wies mit der Hand die Richtung, »da ist ein Nest von amerikanischen Punks, Wahnsinn, alle in schwarzem Leder und voller Metall. Kein Vergleich mit den englischen. Und ihre Musik, das ist was ganz Besonderes. Und da, näher dran am Platz, da ist ein ukrainisches Viertel, aber das ist nicht so interessant. Oh, da ist ein toller irischer Pub, ganz echt. Da dürfen nicht mal Frauen rein. Obwohl, ich glaub, sie dürfen schon rein, aber da gibt’s kein Frauenklo, nur Pißbecken. Diese Stadt ist ein einziges großes Straßentheater. Ich bin schon so viele Jahre hier und kann mich noch immer nicht losreißen . . .«
    Sie liefen die Bowery entlang. Er blieb vor einem öden, düsteren Haus stehen, das aussah wie die meisten in dieser Gegend.
    »Schau her. Das ist das

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