Ein froehliches Begraebnis
Homosexuellen zu hören, der unter der Unabänderlichkeit seiner Natur litt. Der baumlange, klapperdürre Micky weinte und klagte Valentina seinen ganzen Kummer, wobei er zugleich psychoanalytische Kommentare abgab. Valentina staunte lange und voller Mitgefühl über die Launenhaftigkeit der Natur und nutzte eine kleine Pause in Mickys zweistündigem Monolog für die direkte Frage:
»Und mit Frauen hast du noch nie?«
Wie sich herausstellte, war auch das nicht ganz so einfach; eine siebzehnjährige Cousine, die anderthalb Jahre in seiner Familie lebte, setzte ihm, dem damals Vierzehnjährigen, mit Zärtlichkeiten zu, und als sie heimfuhr in ihr Connecticut, ließ sie ihn im Bewußtsein zermürbender Jungfräulichkeit und unauslöschlicher Sünde zurück.
Die Geschichte wirkte allzu literarisch, und am Ende des ausführlichen, emotionalen Berichts voller plastischer Details legte die erschöpfte Valentina seine beiden schmalen Hände auf ihre festen, bemerkenswerten Dattelbrüste und tat ihm mühelos Gewalt an, bei der er im übrigen volle Befriedigung fand.
Dieses Ereignis blieb ein Einzelfall in Mickys Biographie, aber sie waren sich seitdem auf ganz besondere Weise freundschaftlich nahe.
Valentina durchlebte damals gerade ihre eigene Katastrophe: den gemeinen, niederschmetternden Verrat eines Geliebten. Er war ein berühmter Dissident, hatte sogar schon gesessen und galt als Held, als makellos mutig und aufrichtig. Aber offenbar verlief bei ihm eine Naht genau zwischen Oben und Unten. Das Oben war von höchster Qualität, das Unten dagegen ziemlich verdorben. Er war ein Weiberheld, dabei nicht wählerisch und verstand es, die Frauen auszunutzen. Seine Ausreisepläne beweinten viele hübsche Freundinnen von höchst antisowjetischer Gesinnung, und zwei, drei uneheliche Kinder sollten dazu verdammt sein, sich ihr Leben lang an die schöne Legende von ihrem Heldenvater zu klammern.
Schließlich verließ er Rußland als Held, heiratete eine schöne Italienerin, die zudem auch noch reich war, und Valentina blieb unter KGB-Aufsicht und mit einer unverteidigten Dissertation zurück.
Und da bot ihr der großzügige Micky die fiktive Ehe an. Sie heirateten, und um den Schein zu wahren, feierten sie sogar Hochzeit in Kaluga, bei Valentinas Mutter, die fortan mit ihrer Tochter ausgesöhnt war, obwohl ihr der Bräutigam nicht gefiel und sie ihn »dürres Gerippe« nannte. Aber der Charme des amerikanischen Passes wirkte sogar auf sie. In der Druckerei, wo sie ihr Leben lang Putzfrau war, hatte noch niemand seine Tochter mit einem Amerikaner verheiratet.
Nachdem Valentina auf dem Kennedy-Flughafen zwei Stunden auf ihren Mann gewartet hatte, rief sie bei ihm zu Hause an, aber es ging niemand ran. Sie beschloß, zu der Adresse zu fahren, die er ihr in Rußland gegeben hatte. Sie lag, wie sie mit Hilfe einiger freundlicher Amerikaner herausfand, nicht in New York, sondern in einem Vorort. Englisch sprach Valentina nur ein paar Brocken; sie war Slawistin. Als sie sich mehr schlecht als recht orientiert hatte, machte sie sich auf den Weg.
Ein Gefühl völliger Irrealität enthob sie der normalen menschlichen Sorgen. Die Zukunft, wie sie auch sein mochte, erschien ihr immer noch besser als die Vergangenheit, von der sie die Nase voll hatte. Mit diesen beschwingten Gedanken stieg sie in einen Bus. Sonderbarerweise nahm man kein Geld von ihr; sie verstand nicht gleich, was das Wort »free« in diesem Zusammenhang bedeutete. Als sie begriff, daß die Busfahrt kostenlos war, freute sie sich. Sie hatte fünfzig Dollar bei sich, und damit mußte sie auf jeden Fall auskommen, um zu ihrem verantwortungslosen Mann zu gelangen.
Gegen Abend, nach vielen kleinen Abenteuern und gewaltigen Reiseeindrücken, stieg sie endlich in Tarry Town aus, sog die Abendluft ein und setzte sich auf eine gelbe Bank auf dem Bahnsteig. Sie hatte anderthalb Tage nicht geschlafen, alles um sie herum schien leicht zu schwanken, und die völlige Ungewißheit und ein Gefühl von Schwerelosigkeit verursachten ihr Schwindel.
Sie blieb zehn Minuten sitzen, dann nahm sie ihr Köfferchen und trat hinaus auf einen kleinen Platz voller parkender Autos. Sie fragte einen jungen Mann, der an einer Autotür herumfummelte, wie sie zu der gesuchten Straße komme; er öffnete ihr wortlos die Beifahrertür und brachte sie zu einem schönen einstöckigen Haus, das auf einem Hügel stand und von einer gepflegten Hecke eingefaßt war. Es dämmerte schon. Vor der niedrigen
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