Ein froehliches Begraebnis
rannte zum Lift. Ljuda stand verwirrt mitten im Atelier. Der schlafende Gast schnarchte, die Decke über den Kopf gezogen. Nina stürzte in die Küche und kramte aus den Tiefen des Geschirrschranks eine irdene weiße Suppenterrine hervor.
Für einen Augenblick sah sie wieder den wundervollen Tag in Washington vor sich, die Nacht bei Slawka Krein, dem fröhlichen Bassisten, nun umgeschult zum traurigen Programmierer, das Frühstück in dem kleinen Lokal vor dem Park in Alexandria. Ein paar Rentner machten auf der Straße unglaublich schlecht, aber völlig kostenlos Musik, und dann fuhr Krein mit ihnen auf den Flohmarkt. Es war ein so fröhlicher Tag, daß sie beschlossen, etwas Wunderschönes zu kaufen, allerdings mußte es spottbillig sein. Sie hatten wirklich wenig Geld. Da sprach sie ein schöner grauhaariger Schwarzer mit verkrüppeltem Arm an, sie erstanden bei ihm die englische Suppenterrine aus der Zeit der großen Bostoner Teeschwemme, und dann schleppten sie das große, unhandliche Ding den ganzen Tag mit sich rum, denn in die Tasche paßte es nicht, und Krein war mit seinem Auto jemanden abholen oder wegbringen gefahren.
Dafür haben wir sie also damals gekauft, dachte Nina, als sie Wasser hineinlaufen ließ.
Den Rücken kerzengerade, wodurch sie noch größer wirkte, trug sie die Terrine feierlich ins Schlafzimmer und hielt sie dabei so hoch, daß ihre Lippen den Rand berührten.
Nun ist sie ganz und gar verrückt, was soll bloß aus ihr werden, dachte Fima und verzog das Gesicht.
Nina hatte schon vergessen, daß sie eben noch alle rausgeschmissen hatte.
Sie stellte die Suppenterrine vorsichtig auf einen roten Hocker, holte drei Kerzen aus der Kommode, zündete sie an, ließ ein bißchen Wachs auf den Gefäßrand tropfen und klebte die Kerzen darauf. Alles gelang ihr auf Anhieb, ganz mühelos; als wollten die Dinge ihr entgegenkommen.
Sie nahm die kleine Ikone aus Papier von der Wand und lächelte, weil sie an den seltsamen Mann denken mußte, von dem sie stammte. Damals wohnte einer der unzähligen obdachlosen Emigranten bei ihnen. Nina machten solche Gäste in der Regel nichts aus, sie bemerkte sie kaum, aber diesen wollte sie so schnell wie möglich wieder loswerden, doch Alik sagte nur:
»Nina, sei still. Uns geht es viel zu gut.«
Der Bursche damals war nicht ganz richtig im Kopf, er wusch sich nicht, trug eine Art Büßerhemd, haßte Amerika und erklärte, er wäre um nichts in der Welt hergekommen, aber er habe eine Vision gehabt, daß Christus jetzt in Amerika sei und er ihn suchen müsse. Also suchte er ihn, hetzte von morgens bis abends durch den Central Park. Dann setzte ihm jemand einen anderen Floh ins Ohr, und er machte sich auf nach Kalifornien, zu einem Gleichgesinnten, einem Amerikaner, Serafim oder Sebastian, der sollte auch verrückt sein und obendrein noch Mönch.
Nina lehnte die Ikone gegen die Terrine und verharrte einen Augenblick in Gedanken. Etwas beunruhigte sie . . . Aliks Name . . . Sein Name war völlig unmöglich: Zu Ehren des verstorbenen Großvaters hatten seine Eltern ihn Abraham genannt. Sie riefen ihn aber immer Alik und stritten bis zu ihrer Scheidung ständig darüber, wer auf die Idee gekommen war, dem Kind einen so absurden, provokanten Namen zu geben. Jedenfalls kannten nicht einmal alle engen Freunde seinen richtigen Namen, zumal seine amerikanischen Papiere auf den Namen Alik lauteten.
Der Mann, der nur noch kurze Zeit überhaupt einen Namen tragen würde, schnarchte hin und wieder krampfartig.
Nina suchte hektisch nach dem alten Kirchenkalender, griff aufs Geratewohl ins Bücherregal und fand ihn auf Anhieb hinter einem unordentlichen Bücherstapel. Beim fünfundzwanzigsten August stand: Märt. Fotij und Anikita, Pamfil und Kapiton; hl. Märt. Alexander. Wieder war alles goldrichtig. Der Name paßte. Alles kam ihr entgegen. Sie lächelte.
»Alik«, sprach sie ihren Mann an. »Sei mir nicht böse, ich taufe dich jetzt.«
Sie nahm ihr goldenes Kreuz ab, ein Erbstück von ihrer Großmutter, einer Terek-Kosakin. Mar ja Ignatjewna hatte ihr alles erklärt: Jeder Christ kann einen Sterbenden taufen. Ob mit einem Kreuz aus Gold oder mit einem aus zusammengebundenen Streichhölzern. Ob mit Wasser oder mit Sand. Nun mußte sie nur die einfachen Worte sagen, die sie noch wußte. Sie bekreuzigte sich, tauchte das Kreuz ins Wasser und sprach mit heiserer Stimme:
»Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes . . .«
Sie schlug im Wasser ein Kreuz,
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