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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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aufzuheben. Der Vermieter zuckte die Achseln und entfernte sich, zutiefst empört. Vergeblich versuchte Claude ihm klarzumachen, daß er gerade auf einer traditionellen russischen Totenfeier gewesen sei.
    Jemand legte ein altes Tonband auf. Es war eine selbstgemachte Persiflage auf einen Moskauer Schlager der fünfziger Jahre:
    Moskau, Kaluga und Los Angelos
hab’n sich vereinigt zu einem Kolchos.
In ’nem Wolkenkratzer sitzt ganz keß
ein russischer Wanja und klimpert Jazz.
    Eine uralte und vertraute Musik; alle lächelten darüber, Russen und Amerikaner, aber die Russen hatten einen hohen Preis dafür bezahlt, für diese Musik – dafür wurde man damals auf Versammlungen fertiggemacht, dafür flog man von der Schule und aus dem Institut. Faina versuchte, das ihrem Kavalier zu erklären, aber es war in keine Worte zu fassen. Wie sollte man es auch erklären: Alles ist todtraurig, und auf einmal kommt zaghaft süße Freude auf, oder im Gegenteil, alles ist so fröhlich, der ganze Körper voller Freude, und auf einmal ein trauriger Ton, der direkt ins Herz trifft. Genau dafür bekam man Ärger.
    Ljuda hatte sich hier inzwischen so eingelebt, daß sie, als sie etwas getrunken hatte, nicht mehr wußte, wo sie war, immer wieder auf einen Sprung zu ihrer Freundin Tomotschka laufen wollte, um ihr das Herz auszuschütten, und nicht begriff, daß die Sredne-Tischinski-Gasse nicht um die Ecke war.
    »Mama, du bist ja komisch, wenn du betrunken bist, so hab ich dich noch nie gesehen. Steht dir«, sagte ihr Sohn und zog sie von der Tür weg.
    T-Shirt berührte Irinas Schulter:
    »Komm, Mama, wir gehen. Es reicht.«
    Sie sah streng aus.
    Die sehnige, leichtfüßige Irina ging neben ihrer unfertigen, linkischen Tochter und fühlte, daß sich zwischen ihnen etwas tat, schon getan hatte: Vorbei war die Anspannung der letzten Jahre, da sie ständig die mürrische Unzufriedenheit der Tochter und ihre Mißbilligung gespürt hatte.
    »Mama, wer ist die Piroshkowa?«
    Es hatte sich so ergeben, daß sie heute zum erstenmal diesen Namen gehört hatte, von dem ihr eigener Familienname Pirson abgeleitet war. Irina antwortete nicht gleich, obwohl sie schon lange auf diese Frage vorbereitet war.
    »Ich bin die Piroshkowa. Wir waren mal zusammen, als wir noch ganz jung waren. Ungefähr in deinem Alter. Dann haben wir uns gestritten und uns viele Jahre später erst wiedergefunden. Nicht für lange. Und als Erinnerung daran hat die Piroshkowa ein Kind behalten.«
    »Toll von der Piroshkowa«, lobte T-Shirt. »Hat er das gewußt?«
    »Damals nicht. Später hat er es vielleicht geahnt.«
    »Hm! Schöne Eltern.«
    Irina blieb abrupt stehen.
    »Gefallen sie dir nicht?« Es kränkte sie seit langem, daß ihre Tochter sie nicht mochte.
    »Doch, schon. Die anderen sind alle noch schlimmer. Er hat es natürlich gewußt.« T-Shirt klang auf einmal erwachsen und müde.
    Irina zuckte zusammen.
    »Du glaubst, er hat es gewußt?«
    »Ich glaube es nicht, ich weiß es«, sagte T-Shirt fest. »Schrecklich, daß er nicht mehr ist.«
    In das leise Summen russisch-englischer Gespräche hinein gellte ein hoher, schriller Schrei. Valentina schleuderte ihre schwarzen chinesischen Pantoffeln von den Füßen, riß mit der prahlerischen Geste eines Gitarristen, der wild in die Saiten greift, am obersten Knopf ihres gelben Hemdes, so daß auch alle übrigen Knöpfe auf den Boden prasselten, trat in die Mitte, stampfte mit ihren dicken rosigen Fersen auf und stieß mit glänzendem Matrjoschkagesicht hohe, langgezogene Töne aus:
    Ju-hu-chu-he-juchhei!
Ich bin voller Kuchenteig,
Du bist ganz mit Pech beschmiert.
Treiben wir es ungeniert!
Ai-jai-jai-jai-jai!
    Sie schlug sich auf die Hüften und wirbelte gewandt über den schmutzigen Boden.
    Während ihres Studiums war sie immer wieder zu Expeditionen nach Nordrußland gefahren, auf der Suche nach Bruchstücken lebendiger russischer Sprache im Gebiet Polesje, in der Gegend von Archangelsk und am Oberlauf der Wolga. Sie erforschte folkloristische Obszönitäten wie andere Wissenschaftler den Aufbau der Zelle oder die Wanderungen der Zugvögel. Sie kannte Tausende solcher anzüglichen Verse mitsamt dazugehörigen Dialekten und Intonationen, in zahllosen Varianten; sie mußte nur ihrer Zunge freien Lauf lassen, und sie flogen ihr von den Lippen, lebendig und unversehrt, wie frisch vom Dorftanz.
    Heißa, heißa, heißassa!
Mein Ofen ist so heiß, o ja!
    Sie sprühte glühende Kohlenstückchen, und ihre dunklen Fußsohlen

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