Ein ganz besonderer Sommer
Putzlappen. Das war ärgerlich, aber nicht zu ändern. Leise schob sich der Fremde in eine der hinteren Bänke.
Schwingtüren waren für Zottel noch nie ein Hindernis gewesen. Vorsichtig schob er sich hindurch. Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass dieser zu den Orten gehörte, an denen er nicht erwünscht war und vertrieben wurde, sobald man ihn entdeckte. Deshalb trat er leise auf. Langsam schritt er den Gang hinunter, bis er mit lang gestrecktem Hals den Nacken des Diebes erreichen konnte. Er blies ihn sanft an, um ihm seine Gegenwart mitzuteilen.
„ Huaah !“ Der Mann erschrak fast zu Tode. Er sprang auf, drehte sich zu dem Pony um und wollte mit der Leinentasche nach ihm schlagen, da wurde er von hinten grob gepackt.
„Na, das ist ja wohl die Höhe!“, schimpfte die Frau empört und schwang ihren Putzlappen drohend in seine Richtung. „Sind Sie besoffen oder nicht ganz richtig im Kopf? Mit einem Pony in die Kirche! Raus hier, aber dalli, ehe ich die Polizei rufe!“
Das war Zottels Chance. Während der Mann sich verzweifelt gegen die tätlichen Angriffe der Frau wehrte, die jetzt beherzt mit dem Schrubber nach ihm schlug, schnappte er sich den Leinenbeutel. Mit seiner Trophäe im Maul stolzierte er in aller Ruhe hinaus - gerade in dem Augenblick, als Bille und Beppo mit Sahida die Dorfstraße heraufkamen.
Zottel wieherte fröhlich. Im Nu war Bille bei ihm und hing an seinem Hals. „Mein Liebling, was machst du denn wieder für Sachen! Wir haben uns so gesorgt! Was hast du denn da?“
Erleichtert überließ Zottel seiner Herrin die Beute. Das ersparte ihm die Mühe, selbst den Inhalt von der Umhüllung zu befreien. Hinter ihnen versuchte der Dieb sich ungesehen vorbeizudrücken, doch das verhinderte die resolute Putzfrau. „Hier geblieben! So kommst du mir nicht davon, Bursche! Bringt sein Pony mit in die Kirche . . . Das wird noch ein Nachspiel haben!“
„Das ist nicht sein Pony“, sagte Bille laut und wandte sich an die Umstehenden. Dann zog sie ihre Gürteltasche aus dem Leinenbeutel. „Und dies hier ist auch nicht sein Eigentum, er hat es mir im Aussichtsturm des Museums gestohlen! Und mein Pony brauchte er vermutlich für die Flucht.“
„Dein Pony ist mir scheißegal!“, schrie der Dieb empört. „Ich habe es nicht angerührt. Es hat mich verfolgt . . . und angegriffen, jawohl! Das Vieh ist gefährlich!“
„Das kannst du alles der Polizei erzählen. Mitkommen!“ Walter ergriff den Mann am Kragen und schob ihn vor sich her. Die neugierige Meute umringte die beiden. Es gab keine Chance für den Dieb, aus diesem Ring zu entkommen.
„Zottel, du bist ein Held!“ Bille fiel ihrem Pony noch einmal um den Hals. „Mein Liebling, ich bin so stolz auf dich! Komm, jetzt kriegst du erst mal deine Belohnung. Und dann werden wir in aller Ruhe zurückreiten.“
„Das wird nicht gehen, du musst Anzeige erstatten und deine Zeugenaussage machen“, widersprach Beppo.
„Muss das jetzt sein?“
„Ja. Da kommst du nicht drum herum.“
„Okay.“ Seufzend folgte Bille der Menschengruppe. Später war sie froh darüber. So erfuhr sie, dass Zottel einen lange gesuchten Taschendieb gefangen hatte, der in seinem Beutel noch weit mehr Diebesgut verbarg, als ihre Gürteltasche: Uhren, ein Portmonee , einen Ring, eine Brosche - und sogar einen Autoschlüssel. Ein Zeitungsreporter war bereits auf dem Weg, um von dem Helden des Tages ein Foto zu machen und über ihn zu berichten.
„Und außerdem“, verkündete Beppo über die Köpfe der staunenden Menge hinweg, „wer unseren Helden noch einmal in Aktion sehen möchte, braucht heute nur in unsere Musicalvorstellung zu kommen. Es gibt noch ein paar Karten an der Abendkasse!“
Reisefieber
„Ihr müsst unbedingt darauf achten, dass ihr Wertsachen und Geld stets gut unter Verschluss haltet!“, mahnte Onkel Paul. „In Polen gibt es immer noch viel Armut, und Touristen zu bestehlen ist leider ein beliebter Sport. ,Heute geklaut, morgen verkauft’ ist die Devise.“
„Oh, was Taschendiebe betrifft, bin ich inzwischen um einiges schlauer geworden“, sagte Bille. „Ich werde mich schon vorsehen - umso mehr, als ich Zottel nicht bei mir haben werde“, fügte sie lachend hinzu.
„Und sieh zu, dass du keines deiner Medikamente vergisst , Olga! Möglicherweise gibt es diese Arzneimittel dort nicht.“
Es war offensichtlich, dass Onkel Paul mehr Reisefieber hatte als Mutsch, wie Bille amüsiert feststellte.
„Vielleicht solltest du doch besser
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