Ein ganz schoen starker Plan
sagte es noch einmal. Als ob ich eine sehr abgehackte und schlichte Sprache sprechen würde. Ein kleines Stöhnen, das tausend Bedeutungen hatte. Mein neues Lieblingswort: äh.
Der Drache kam auf mich zu und ich machte mich bereit für Ohrfeigen und Beschimpfungen. Aber sie ging nur an mir vorbei ins Badezimmer. Ich hörte das Wasser laufen. Ida stand in ihrer Zimmertür.
»War das dein Plan?«, fragte sie.
»Ehrlich gesagt nicht«, antwortete ich, machte aber keinen Versuch ihr zu erklären, wie mein Plan wirklich ausgesehen hatte.
Ich stand auf und wusch mir in der Küche die Hände. Auf dem Boden und an den weißen Wänden klebten kleine Kleckse aus Durchfallmischung. Aus dem Badezimmer hörte ich etwas, das wie Schluchzen klang. Ich hatte Oma noch nie weinen hören, ich war nicht einmal sicher gewesen, ob sie überhaupt Tränenkanäle hatte. Ida erwähnte, dass es sicher klug gewesen wäre, abends den Staubsauger wegzuräumen. Doch ich stellte mich taub, schaffte den Staubsauger weg und fing an, mit einem Lappen die Flecken auf dem Boden und an den Wänden wegzuwischen. Als Oma aus dem Badezimmer kam, waren die Flecken zu einer ungleichmäßigen braunen Farbe an der weißen Wand geworden. Omas Miene zeigtedeutlich, woher sie den Spitznamen Drache hatte. Sie sah so aus, als könnte sie jeden Moment anfangen, Feuer zu speien.
»Äh …«, begann ich. Sie wartete darauf, dass ich mehr von mir gab als ein Geräusch, das eigentlich gar kein Wort war. »Ja, also«, fing ich an. »Doch, es tut mir schrecklich leid. Ich will doch, dass du deinen Geburtstag feierst. Ich werde alles tun, was du willst, damit es ein schöner Geburtstag wird.«
Ihre Augenbrauen lagen wie Dachrinnen über ihrem Blick. Der Drache hatte mich noch nie geschlagen. Jetzt aber befürchtete ich einen wohlgezielten Tritt auf die Stelle, wo meine Beine sich begegneten. Sie kam ein paar Schritte auf mich zu. Ich wich bis zum Tisch zurück und spielte mit dem Gedanken, mich darunter fallenzulassen. Der Drache kam ganz dicht an mich heran, doch es folgten weder Schläge noch ein Tritt in die Eier. Sie legte einfach die Arme um mich und drückte mich an sich. Der nasse stinkende Stoff ihres Kleides quälte meine Nase.
Ich kapierte rein gar nichts mehr. Hatte die Frau den Verstand verloren?
»Äh, ich … was ist denn los?«
Sie ließ mich los und zeigte auf einen Stuhl. Ich setzte mich ganz schnell, um nicht noch mehr umarmt zu werden, während Ida weiterhin in ihrer Zimmertür stand und genauso verwirrt aussah wie ich.
»Ja, ich bin böse auf dich, Håkon. Sehr böse. Aber ich sehe ja auch, dass du versuchst, mir etwas zu sagen.«
»Wie meinst du das?«
»Meine Tochter. Also deine Mutter. Sie hat eine entsetzliche Dummheit begangen. Sie hat euch verlassen. Ich kann nicht die ganze Zeit hier sein und auf euch aufpassen. Undeuer Vater. Na, der könnte bessere Arbeit leisten, wenn du mich fragst. Ich habe gesehen, wie du hier zu Hause die Verantwortung übernimmst, Håkon. Du wirst jetzt zum Mann.«
Ida und ich wechselten unsichere Blicke. Wir trauten beide unseren Ohren nicht.
»Ich bin eine ziemlich strenge Großmutter. Das weiß ich. Aber irgendwer muss euch schließlich ein wenig an den Ohren packen. Ich habe diese Aufgabe übernommen. Was du heute getan hast, Håkon, war einfach schrecklich. Aber ich kann es auch verstehen.«
»Echt?«, fragte ich und hätte gern gewusst, ob das hier wirklich meine Großmutter war.
Sie lächelte mich steif an, als ob sie jeden Moment zugeben könnte, dass sie nur log.
»Ich hätte vielleicht anders reagiert als du, aber ich kann verstehen, dass du findest, ich hätte euch meinen Geburtstag aufgedrängt. Euer Vater ist ja die ganze Zeit mit seinen Damen unterwegs und ich brauchte eure Hilfe. Und nicht ihr solltet eine solche Verantwortung auf euch nehmen müssen, sondern euer Vater. Der hätte hier sein und mir helfen müssen.«
»Der kommt sicher bald«, warf ich ein.
»Das kann sein. Aber darum geht es jetzt nicht. Meine Wohnung ist wirklich zu klein für alle Mittelmeermädels. Ich war sehr froh, hier feiern zu können. Aber ich sehe ein, dass ich euch nur herumkommandiert und nicht auf eure Wünsche oder Bedürfnisse geachtet habe. Ich begreife wirklich, dass es wirken muss, als ob ich mich aufgedrängt hätte.«
»Wenn du willst, kannst du jedes Wochenende hier feiern«, sagte ich energisch. »Mir ist das recht.«
Ida kam näher. »Wirst du jetzt mehr wie eine … normale Oma?«, fragte sie
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