Ein ganz schoen starker Plan
Deshalb verbrachte ich die Zeit damit, aufzuschreiben, woraus meiner Meinung nach eine Freundschaft bestand. Das ist gar nicht so leicht, wenn man das noch nie gemacht hat.
Playstation spielen
In den Pausen zusammen sein
Handynummern austauschen
SMS schicken
Eltern kennenlernen
Sich gegenseitig besuchen, wenn man Lust dazu hat
Ich hatte nicht einmal ein Handy, Papa konnte sich das nicht leisten. Die Liste endete im Müll. Ich hatte keine Ahnung, wieman eine Freundschaft auf die Beine stellt. Ida schaffte es, auch wenn keine ihrer Freundinnen uns besuchte. Allein mit jemandem reden zu können, wäre jetzt ziemlich fantastisch gewesen. Keine tiefen Gespräche, nur ein wenig Planschen an der Oberfläche.
Ich stand mitten im Zimmer und ließ meine Gedanken umherflattern. Niemand kam herein, während ich hier die Salzsäule spielte. Initiative ist etwas, das kommt und geht , sagte Papa immer. Jetzt dachte ich wieder an ihn.
Was war mit Liv? Wie sollte ich zu einer neuen Verabredung mit ihr kommen? Auch hier stand ich auf dem Schlauch, in einem öden Gelände weit außerhalb aller Landkarten.
Irgendwann stellte ich die Musik viel zu laut und tanzte wild durch das Zimmer. Es war so ein Krach, dass ich das Hämmern gegen die Wand fast nicht hörte. Wenn ich nur kräftig genug mit dem Kopf wackelte, würden alle Probleme herausfallen, eins nach dem anderen. Und so hüpfte ich in meiner eigenen Luftblase durch das Zimmer. Ich brüllte die Refrains, ich war Jay-Z, ich spielte vor Tausenden von Fans. Danach stand ich schweißnass und atemlos mitten im Zimmer. Ganz allein. Harte Fäuste hämmerten gegen die Wand. Niemand wollte eine Zugabe.
Ich zog die Schuhe an, ging hinaus und stieß auf eine Riesenüberraschung.
Der erste Lippentanz
Sie lungerte zufällig vor dem Block herum. Das sagte sie jedenfalls.
»Was für ein Zufall«, sagte ich.
So was sagen alte Leute, weil ihnen nichts Interessanteres mehr einfällt. Ich stand vor ihr und wusste nicht, ob ich genervt, froh oder besorgt sein sollte. Und ob ich unser misslungenes Treffen vom Vortag überhaupt erwähnen sollte?
Eigentlich hatte ich gehofft, Fredrik und Ahmed zu treffen, aber jetzt stand Liv da und vermutlich hätte ich mehr an sie denken sollen als an all das andere, womit ich mir seit gestern den Kopf gefüllt hatte: die neuen Kumpels, den Drachen, die Nachbarin und Ida.
»Was läuft denn so?«, fragte sie.
Wenn man verliebt ist, müsste das Herz schneller pumpen als ein Presslufthammer. Der Kopf sollte kochen und die Lippen sollten Lust haben, sich an ihren Lippen zu reiben. Jedenfalls hatte ich das geglaubt, nach dem, was Papa und Isabell erzählt hatten. Immerhin wäre ich nicht am liebsten weggelaufen. Und das war doch schon mal ein guter Anfang. Was antwortete man eigentlich auf »Was läuft denn so?«
»Nicht viel.«
»Pläne?«
»Keine.«
»Lust, was zu unternehmen?«
Ich nickte und hätte gern gefragt, was passieren würde, wenn wir Leuten aus der Schule begegneten. Müssten wir dann wieder so tun, als ob wir uns nicht kannten? Aber das war keine coole Frage. Und ich wollte nicht wie der unsichere Junge wirken, der ich war.
»Lust auf ein Eis?«, fragte sie.
»Immer Lust auf ein Eis.«
Wir gingen wortlos nebeneinander her zur Eisdiele. Es gab hundert Dinge, mit denen ich ein Gespräch hätte anfangen können, aber ich wusste zu wenig darüber, worüber tolle Mädchen gern sprachen. Schule? Spiele? Schminke?
»Das Karamelleis da ist unglaublich gut«, sagte sie.
»Saugut«, sagte ich.
Wieder Stille. Der Wind riss an ihren Haaren. Die Sonne stand hoch am Himmel. Über das Wetter redete man jedenfalls nicht.
»Deine Haare sind … lang«, sagte ich.
»Findest du, ich sollte sie schneiden lassen?«
»Das habe ich nicht gemeint. Ich dachte nur, dass du lange Haare hast, und das bringt mehr Möglichkeiten als kurze. Und mit kurzen würdest du aussehen wie ein Junge.«
»Wie ein Junge?«
Sie starrte mich an. »Ein ganz toller Junge. Einer, der … wie ein Mädchen aussieht. Ein hübsches Mädchen.«
Jetzt war es gesagt, auf unglaublich bescheuerte Weise. Aber sie lächelte. Lächeln ist gut. Doch dann wurde sie ernstund ich glaubte schon, sie hielte mich für einen total hoffnungslosen Fall.
»Das mit gestern tut mir leid«, sagte sie leise.
»Was denn?«, fragte ich und tat so, als ob ich nicht begriff, was sie meinte.
»Dass ich so getan habe, als ob ich dich nicht kenne.« Sie starrte zu Boden.
»Ach, das.«
Bedeutete das,
Weitere Kostenlose Bücher