Ein ganzes halbes Jahr
war.
«Und Alicia. Sie waren … sie haben sich sehr nahegestanden … eine Zeitlang. Kaffee wäre sehr schön. Danke, Miss Clark.»
Ich zögerte einen Moment, bevor ich die Tür öffnete, dann drückte ich sie mit der Hüfte auf, weil ich das Tablett in den Händen hielt.
«Mrs. Traynor meinte, Sie hätten vielleicht gern einen Kaffee», sagte ich beim Hereinkommen und stellte das Tablett auf den niedrigen Tisch. Als ich Wills Becher in die Halterung an seinem Stuhl stellte und den Strohhalm so herumdrehte, dass er nur den Kopf beugen musste, um ihn mit den Lippen zu erreichen, spähte ich auf seine Besucher.
Die Frau kam zuerst in meinen Blick. Langbeinig und blond, mit hellem, karamellfarbenem Teint. Sie gehörte zu den Frauen, bei denen ich mich immer fragte, ob wirklich alle Menschen derselben Spezies angehören. Sie sah aus wie ein menschliches Rennpferd. Ich hatte solche Frauen schon gelegentlich gesehen; sie waren mit federndem Schritt den Burghügel hinaufgegangen und hatten dabei Kinder in teuren Markenklamotten an der Hand gehalten. Und wenn sie ins Café kamen, erklangen ihre kristallklaren Stimmen mit Sätzen wie: «Harry, Darling, möchtest du einen Kaffee? Soll ich fragen, ob sie dir einen Macchiato machen können?» Das hier war eindeutig eine Macchiato-Frau. Alles an ihr roch nach Geld, nach Ansprüchen und einem Leben wie in einer Hochglanzzeitschrift.
Als ich sie genauer ansah, wurde mir mit einem kleinen Schreck bewusst, dass sie a) die Frau von Wills Skifoto war und b) so wirkte, als würde sie sich so richtig, richtig unbehaglich fühlen.
Sie hatte Will auf die Wange geküsst und trat nun verlegen lächelnd einen Schritt zurück. Sie trug eine braune Schaffellweste, in der ich wie ein Yeti ausgesehen hätte, und einen blassgrauen Kaschmirschal um den Hals, an dem sie herumspielte, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie ihn ablegen sollte oder nicht.
«Du siehst gut aus», sagte sie. «Wirklich. Du hast … deine Haare wachsen lassen.»
Will sagte keinen Ton. Er sah sie einfach nur an, seine Miene undurchdringlich wie immer. Kurz überkam mich Dankbarkeit dafür, dass nicht ich es war, die er so anstarrte.
«Neuer Stuhl, was?» Der Mann klopfte auf die Rückenlehne von Wills Rollstuhl und nickte anerkennend, als würde er einen Luxus-Sportwagen bewundern. «Sieht … ziemlich schick aus. Sehr … hightech.»
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich stand da und trat von einem Fuß auf den anderen, bis Wills Stimme das Schweigen brach.
«Louisa, würden Sie bitte noch ein paar Holzscheite aufs Feuer legen? Ich glaube, es ist schon sehr weit heruntergebrannt.»
Es war das erste Mal, dass er mich mit meinem Vornamen ansprach.
«Klar», sagte ich.
Ich machte mich an dem Kaminofen zu schaffen, rüttelte mit dem Schieber die Glut durcheinander und suchte in dem Korb nach Holzscheiten in passender Größe.
«Meine Güte, ist es kalt draußen», sagte die Frau. «Ein richtiges Feuer zu haben ist wirklich nett.»
Ich öffnete die Tür des Kaminofens und stocherte mit dem Schürhaken in den Resten der Glut herum.
«Hier ist es bestimmt einige Grad kälter als in London.»
«Auf jeden Fall», sagte der Mann.
«Ich habe auch überlegt, mir einen Kaminofen anzuschaffen. Anscheinend sind sie viel effektiver als ein offener Kamin.» Alicia beugte sich vor, um den Ofen zu inspizieren, als hätte sie noch nie im Leben einen gesehen.
«Ja, das habe ich auch schon gehört», sagte der Mann.
«Ich muss mich wirklich darum kümmern. Das gehört zu den Dingen, die man immer machen will, und dann …» Sie beendete den Satz nicht. «Sehr guter Kaffee», sagte sie nach einem Moment.
«Und … was hast du so getrieben, Will?», fragte der Mann mit gezwungener Munterkeit.
«Nicht viel, komischerweise.»
«Aber du machst doch Physiotherapie und so weiter. Schlägt es an? Irgendwelche … Fortschritte?»
«Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich in absehbarer Zukunft Ski fahren werde, Rupert.» Wills Stimme triefte vor Sarkasmus.
Ich musste beinahe lächeln. Das war der Will, den ich kannte. Ich fing an, Asche vor dem Ofen zusammenzukehren. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich alle beobachteten. Das Schweigen wirkte wie elektrisch aufgeladen. Ich überlegte kurz, ob das Schildchen aus meinem Pulloverkragen hing, und unterdrückte den Impuls, es mit einer Hand zu überprüfen.
«Nun …», sagte Will endlich. «Was verschafft mir die Ehre? Nach … acht Monaten?»
«Oh, ich
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