Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
der Luft. Der einst glitzernde enorme Kronleuchter in der Mitte der großen Arena – er hatte Martha nicht so sehr entzückt wie die Eisbären, aber mehr als die Tiger – war nun staubig. Auch in den durch die geöffneten Oberlichter hereinfallenden Sonnenstrahlen tanzten Myriaden puderfeiner Staubpartikel. Bellmann marschierte mit Röschen quer durch die Arena, rasch, trotz des steifen Beins, Ekhoff blieb keine Zeit, sich umzusehen. Es kam ihm unwirklich vor, er hätte lieber draußen mit dem Mann gesprochen, im Morgenlicht vor der Halle.
«Setzen Sie sich», sagte Bellmann, als er die andere Seite erreicht hatte und sich auf einen der Stühle unter der Orchesterempore setzte. Er zeigte mit dem Kinn auf die Bänke in der nächsten Loge. Röschen legte sich sofort neben ihren Herrn, den Kopf diesmal auf seinem linken Fuß.
«Wir sind sechs Männer, aber ich bin der Einzige, der hier auch wohnt, ich und Röschen, die zählt für drei. Ist ein lieber Hund, nur nachts – na, das hab ich ja schon gesagt. Nachts kommen die Diebe überall am liebsten. Aber nicht mit uns, was, Röschen?» Er tätschelte dem Tier den mächtigen Kopf, lehnte sich zurück und blickte den Kriminalkommissar auffordernd an. «Sie haben hier gar nichts zu suchen», kam er der ersten Frage zuvor, grinste und fuhr fort: «Hier fängt schon Altona an. Aber das wollen wir heute nicht so eng sehen. Was, Röschen?»
Es gehe doch um den Toten vom Meßberg, den Messermann solle die Kripo mal ganz schnell fassen. Bei diesem Wort, er sprach es heftiger aus als die anderen, hob Röschen wachsam den Kopf, es sei ja klar, dass die Artisten zuerst verdächtigt werden. Fahrendes Volk.
«Dabei sind gerade die Leute von diesem Zirkus nicht anders als die Bürgerlichen in ihren großen Häusern», erklärte er und beugte sich abrupt so weit vor, dass sein Atem Ekhoff erreichte. «Eher besser. Madam Busch ist ’ne wirklich feine Dame, wenn sie auch hundertmal Zirkusreiterin ist, und die Leute vom Direktor waren Pfarrer und Kaufleute.»
Ekhoff nickte gleichmütig. Er hatte nicht gedacht, dass die Direktorin, die als Kunstreiterin einen großen Namen hatte, nachts mit dem Wurfmesser durch die Stadt geisterte.
«Ich habe gehört, Sie arbeiten schon lange beim Zirkus und kennen sich aus, Herr Bellmann», sagte er. «Deswegen bin ich hier. Sie kennen viele Artisten und …»
«Es sind aber keine in der Stadt, die mit Messern arbeiten. Solche finden Sie dieser Tage vor allem bei den Amerikanern, die hier Wilder Westen vorspielen, Buffalo Bill, mit echten Indianern, sagen die Leute. Ich kenn einen, der hat die Truppe vor ein paar Jahren in Braunschweig gesehen. Die sind auch nicht von Pappe – die brauchen dreißig Eisenbahnwaggons für ihre Viecher und die Wilden. Bei den Wilden sitzen die Messer locker, und nicht nur in der Manege. Die haben auch Speere.»
«Es sind auch keine Amerikaner in der Stadt, jedenfalls keine aus dem Wilden Westen. Sie kennen viele Artisten», wiederholte Ekhoff nachdrücklich, «und wenn Sie wollen, dass wir den Mörder vom Meßberg schnell finden, damit wir nicht weiter unschuldige Zirkusleute verdächtigen, helfen Sie uns. Wieso denken Sie eigentlich, dass wir einen Messer werfer suchen?»
«Tja, Röschen», Bellmann beugte sich zu seiner Hündin hinunter und gab ihr wieder einen freundlichen Klaps, «woher wissen wir so was? Man hört eben so dies und das. In der Zeitung stand nur, dass ein feiner Engländer Opfer von einem Messermörder geworden ist. Aber wenn die Polizei hier anklopft – was soll das sonst sein? Und woher wissen Sie , dass ich schon lange beim Zirkus bin? Falls ich in eurer Kartei stehe, ist das eine Verwechslung. Oder gelogen.»
Bellmann hatte den jungen Schnösel nur ein bisschen foppen wollen und erwartete keine Antwort.
«Man hört so dies und das», erklärte Ekhoff spöttisch. «Und wenn einer so alte Stiefel aus rotem Leder trägt … Ich hab nur zwei Fragen. Wer hier in der Gegend Messerkunststücke zeigt, wissen wir, Artisten müssen sich wie alle Fremden anmelden und tun das auch, wenn sie ohne Ärger mit der Obrigkeit auftreten wollen. Darum geht es jetzt nicht. Ich möchte wissen, ob sich welche hier niedergelassen haben, die früher als Messerwerfer gearbeitet haben und ihr Brot jetzt mit was anderem verdienen. Es bleiben nicht alle Leute ihr Leben lang im gleichen Beruf. Und dann: Wo lernt man hier in der Stadt, in Altona oder in der Umgebung Messerwerfen?»
Bellmann hatte die Arme vor der
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