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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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verschwenderischen französischen Königs mit achthundert Menschen darstellte, habe zweihunderttausend Mark gekostet. Natürlich war das so dekadent, wie jener König selbst es gewesen war, aber doch ein unerhörtes, nie zuvor erlebtes Spektakel. Allein die Kostüme, die goldenen Kutschen, die Lichtwunder und Tiger, die Musik und das Ballett, das grandiose Feuerwerk als Finale. Paul und Martha Ekhoff würden es wie Tausende andere Besucher nie vergessen.
    Messerwerfer hatte es nicht gegeben.
    Zirkus und Varieté. Wo sonst sollte man einen Messerwerfer suchen? Bei Licht besehen – überall. Man musste nicht Artist sein und öffentlich auftreten, um mit Messern schnell und gut zu zielen. Wer sich darauf verstand, mordete auf diese Weise schnell, geräuschlos, ohne sich selbst mit Blut zu besudeln. Ohne Gefahr, von einem wehrhaften Opfer verletzt zu werden und so verräterische Spuren davonzutragen. Zudem war es einfacher, sein Opfer aus drei, bei echten Könnern fünf Metern Entfernung mit dem gut gezielten Messer zu töten, als Auge in Auge, Körper an Körper ans Werk zu gehen.
    Wieder blieb er stehen. Der Schlachthof. Nirgends gab es mehr Männer, die mit Messern und Beilen hantierten. Meister, Gesellen, Lehrjungen, Helfer – eine Welle von Mutlosigkeit rollte heran. Zirkus und Varieté? Das war lächerlich. Natürlich verstand sich nicht jeder, der mit einem Messer arbeitete, auf gezielte Messerwürfe, das bedurfte langer Übung, und die Umstände des Mordes am Meßberg verrieten den Könner. Dennoch.
    Sein Herzschlag beruhigte sich. Er ließ sich nicht wie ein Anfänger ins Bockshorn jagen. Egal, was kommt, Ekhoff, bleib erst mal in deiner Spur, hatte der alte Jowinsky gesagt. Bleib wachsam, dann merkst du, wenn du in eine Sackgasse rennst.
    Wie erwartet, war der Zirkus geschlossen. Auf dem Vorplatz war es still, nur eine ganze Schar munter tschilpender Sperlinge badete im Sand.
    Ein Ungemach verheißendes Knurren ließ ihn herumfahren. Was für ein Köter! Das Tier war rabenschwarz und groß wie ein Pony, die Augen blutunterlaufen, das Gebiss unter hochgezogenen Lefzen gelb und sehr groß.
    «Ist ja gut, Röschen, der Herr tut uns nix. Mach schön Platz.»
    Paul Ekhoff drehte sich zur Seite, dorthin, wo er den Mann vermutete, dem die heisere Stimme gehörte. Behutsam, denn das rabenschwarze, gelbzahnige Röschen knurrte immer noch. Aber dann schleckte es sich einmal mit einer Zunge von beachtlicher Größe übers Maul, ließ sich in den Sand und den schweren Kopf aufseufzend auf die gekreuzten Vorderpranken fallen. Die letzten Spatzen, die der gefährlichen Nähe widerstanden hatten, flogen mit Gezeter auf und davon.
    «Brav, Röschen», sagte der Mann. Er war groß, dünn und eine durch und durch graue Erscheinung, die Haare, das Jackett, die Hosen. Nur die kniehohen, lange nicht gewichsten Stiefel waren dunkelrot. Und die alte Narbe unter seinem rechten Jochbogen schimmerte violett. Die Augenklappe direkt darüber ließ vermuten, dass, wer oder was auch immer für die Narbe verantwortlich war, die ganze rechte Gesichtshälfte in Angriff genommen hatte.
    «Ist ’ne nette Hündin», erklärte er im generösen Ton, «nur nachts wird sie schon mal tückisch. Sie mag die Dunkelheit nicht. Aber jetzt ist ja heller Tag.»
    Dann blickte er den Besucher schweigend an, als sei es ihm einerlei, wer der war und was er wollte.
    Ekhoff ertappte sich bei dem flüchtigen Gedanken, dass ein solcher Mann eine ruhige Hand haben musste und dass er nicht alleine hätte herkommen sollen. «Kriminalkommissar Ekhoff», sagte er dann energisch. «Ich brauche ein paar Auskünfte über den Zirkus, ich …»
    «Ach so? Ich bin kein Auskunftsbüro, und geschwätzig bin ich auch nicht. Aber kommen Sie rein, ich kann mir schon denken, was Sie von mir wollen. Ich bin Bellmann und sorge hier für Ordnung. Komm mit, Röschen.»
    Röschen erhob sich schnaufend, schlabberte im Vorbeitrotten über Ekhoffs Hand, als wolle sie den knurrigen Empfang wiedergutmachen, und dann gingen der Mann und sein Hund durch eine schmale Tür im riesigen Portal in den Zirkusbau. Beide zogen das rechte Bein nach, Röschen das rechte hintere.
    Die große Busch-Truppe hatte zuletzt im April und Mai hier Vorstellungen gegeben, im Juni und Juli war das Haus an kleinere reisende Zirkusgesellschaften vermietet gewesen, nun stand es seit anderthalb Wochen leer. Der intensive Geruch nach Pferden, Schminke, Sägemehl und etwas Undefinierbarem, eben nach Zirkus, stand in

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