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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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noch ausgezeichnete Lehrer erwähnt, neueste Methoden des Unterrichts, plein air- Malerei. Sommerkurse in den Räumen der Schule wie außerhalb der Stadt.
    «Hetty, meine Liebe.» Claire stand in der Tür, den Sonnenschirm in der Hand. «Du siehst so bleich aus. Komm doch in den Garten. Er ist wunderschön, und Frau Lindner achtet auf alles, es gibt nicht das Geringste zu verbessern.» Sie blickte Hetty aufmerksam an, trat heran und legte ihrer jungen Cousine leicht die Hand auf die Schulter. «Vergiss nicht, du warst sehr krank», sagte sie, «du mutest dir gleich am ersten Tag zu viel zu.»
    Hetty wusste nicht, ob sie für die Unterbrechung dankbar war oder sich nur gestört fühlte. Sie entschied sich für die Floskeln der Höflichkeit. «Ich sitze hier nur herum und lasse den Tag Revue passieren. Aber du hast recht, der Garten …»
    «Was ist das?» Claires Blick hatte flink die kleine Sammlung auf der Schreibplatte gemustert, Hettys Bemühen um höfliche Floskeln war einseitig und völlig überflüssig gewesen. «Ist das ein Stickmuster?»
    «Ein Stickmuster?» Hetty blickte stirnrunzelnd auf die Zeichnung. «Hm. Das ist auch eine Idee. Ich habe keine Ahnung, was es ist, wohl irgendein Blumenmuster. Ich dachte schon an ein Ätzmuster für Gläser. Es gibt sehr gute Gläser bei uns in Bristol, früher waren sie berühmt. Besonders das blaue Bristol-Glas. Sie haben aber auch sehr elegantes opakes Glas gemacht. Ich habe zwei dieser cremeweißen Vasen, wunderschön mit zarten Blüten bemalt.» Sie musterte kritisch die Zeichnung. «Vielleicht hat Thomas sie kopiert, um etwas dazu Passendes mitzubringen. Es ist ein ähnliches Muster.»
    «Darf ich mal?» Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm Claire das Blatt und hielt es näher vor die zusammengekniffenen Augen. «Habe ich doch richtig gesehen», sagte sie und klopfte mit der Zeigefingerspitze auf den Kopf des Bogens, «zugegeben, es ist reine Neugier, aber ich denke, jetzt sind nicht die Zeiten, Fragen hinunterzuschlucken, oder? Wer ist dieser James Haggelow? Wenn sein Name auf dem Bogen aufgedruckt ist, hat er doch sicher die Zeichnung angefertigt?»
    «Das wollte der Kriminalkommissar auch wissen, Claire, und ich habe keine Ahnung. Mir scheint, mein Ehemann war», sie zögerte, und ihre Stimme wurde dünn, «jedenfalls sind mir einige Seiten meines Ehemannes völlig neu.»
    «Mach dir nichts draus.» Claire bemühte sich, zu verhindern, dass Hetty doch noch in Tränen ausbrach. «Sicher ist dieser Mr. Haggelow ein Freund oder Bekannter, der ihm sein Briefpapier gegeben, oder jemand, der es irgendwo liegengelassen hat. Ja, das ist plausibel. War Thomas nicht in Antwerpen? Dort hat er doch wohl in einem Hotel gewohnt. Oder Haggelow hat den Bogen an Thomas geschickt, damit er sich zu diesem Muster – irgendwie äußert. Das ist doch am wahrscheinlichsten. Du meine Güte, Hetty, es gibt tausend Möglichkeiten. Es wird nicht so wichtig sein.»
    «Vielleicht. Ich muss es trotzdem wissen. Weil Haggelow auch der Name ist, unter dem Thomas sich in das Fremdenbuch dieser Pension eingetragen hat. Mit Wohnort Newcastle, Beruf merchant , Kaufmann. Nichts davon stimmt. Warum nicht unter seinem Namen? Warum überhaupt diese Pension? Was, um Himmels willen, hat er hier gemacht? Oder vorgehabt?»
    Nun flossen Hettys Tränen doch. Sie legte den Kopf auf die Arme und weinte. Die Karte der Damenmalschule lag auf der Schreibplatte unter ihren Armen, zum Glück war sie von solidem Material. Auch trafen sie nur sehr wenige Tränen, denn plötzlich setzte Hetty sich auf, kerzengerade, und starrte Claire an.
    «Hetty, meine Liebe, was denkst du gerade?» Claire schwankte zwischen Sorge und Neugier. «Sprich es aus, ich bitte dich. Du bist weiß wie Schnee. Am besten trägt Brooks dich gleich in die Kutsche. Ich rufe Frau Lindner, ein Schluck Cognac …»
    Hetty starrte immer noch Claire an, genau genommen durch sie hindurch ins Nirgendwo. Das geschah ihr neuerdings häufig.
    «Cognac», sagte sie, «ja. Unbedingt.» Ihr Blick wurde wieder klar und sehr entschlossen. «Ich verstehe es jetzt, Claire. Es ist ganz einfach. Und deutlich, als sei ein dunkler Vorhang aufgegangen.» Sie lachte, der Ton war so seltsam, dass die arme Claire schon wieder erschrecken musste. «Dass ich nicht gleich daran gedacht habe. Der Mann aus der Pension, der auf dem Meßberg gestorben ist und den ihr beerdigt habt – das war nicht Thomas, Claire. Das war James Haggelow. Versteh doch: Thomas lebt! Sicher ist

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