Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein gefährlicher Gegner

Ein gefährlicher Gegner

Titel: Ein gefährlicher Gegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
überlegen, stieg er ebenfalls die Stufen hinauf und wiederholte, so gut es ging, den Klopfrhythmus.
    Ebenso schnell wie zuvor ging die Tür auf. Ein Mann mit einem niederträchtigen Gesicht und bürstenartig kurz geschnittenen Haaren stand in der Tür. «Was gibt’s?»
    In diesem Augenblick wurde Tommy das ganze Ausmaß seines wahnsinnigen Unterfangens bewusst. Nun aber wagte er nicht mehr zu zögern. Er stieß die ersten Worte aus, die ihm in den Sinn kamen. «Mr Brown?», fragte er.
    Zu seiner Überraschung trat der Mann zur Seite. «Oben», sagte er, «erste Tür links.»

8
     
    S o überrascht Tommy auch war, er zauderte keinen Augenblick. Leise stieg er die baufällige Treppe hinauf. Das Haus war unvorstellbar schmutzig. Die schmierige Tapete hing in losen Fetzen von den Wänden.
    Als er schließlich am nächsten Treppenabsatz anlangte, hörte er unten den Mann in einem Hinterzimmer verschwinden. Offensichtlich hatte er keinen Argwohn geweckt. Es schien etwas völlig Natürliches und Selbstverständliches zu sein, in diesem Haus nach «Mr Brown» zu fragen.
    Oben blieb Tommy stehen und überlegte. Vor sich sah er einen engen Flur, von dem nach beiden Seiten Türen abgingen. Hinter der einen war ein leises Gemurmel vernehmbar. Es war die Tür, die der Mann ihm gewiesen hatte. Aber weit mehr interessierte ihn eine kleine Nische rechts, die von einem zerrissenen Samtvorhang halb verdeckt war. Sie lag der Tür zur Linken genau gegenüber und man konnte von dort aus auch den oberen Teil der Treppe gut im Auge behalten. Als Versteck für einen Mann, zur Not für zwei, war diese Nische außerordentlich geeignet.
    An der Haustür war wieder das charakteristische Klopfen zu vernehmen und Tommy schlüpfte kurz entschlossen in die Nische und zog behutsam den Vorhang ganz vor. In dem zerschlissenen Stoff waren Risse und Löcher, so dass er beobachten und erst einmal die weiteren Ereignisse abwarten konnte. Der Mann, der leichtfüßig die Treppe heraufkam, war ihm unbekannt. Er gehörte offensichtlich dem untersten Bodensatz der Gesellschaft an. Die Brutalität, die in seiner ganzen Haltung zum Ausdruck kam, deutete auf die Sorte, die Scotland Yard auf den ersten Blick erkennt.
    Der Mann blieb an der Tür gegenüber stehen und wiederholte das Klopfzeichen. Eine Stimme rief etwas und der Mann öffnete die Tür und trat ein, wobei Tommy einen flüchtigen Blick hineinwerfen konnte. Es saßen vier oder fünf Männer um einen langen Tisch. Am meisten fiel ihm ein großer Mann mit kurz geschnittenem Haar und einem kleinen Spitzbart auf. Er saß an dem einen Ende des Tisches und hatte vor sich Papiere liegen. Als der Neuankömmling eintrat, fragte er mit einer seltsam akzentuierten Betonung: «Deine Nummer, Genosse?»
    «Vierzehn, Chef», antwortete der andere rau.
    «Richtig.»
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
    «Das könnte gut ein Deutscher sein», sagte Tommy zu sich selber. «Ein Glück, dass ich nicht hineingewalzt bin. Bestimmt hätte ich die falsche Nummer angegeben und dann wäre der Teufel los gewesen. Donnerwetter, da klopft es ja schon wieder.»
    Der neue Besucher unterschied sich erheblich von dem Vorhergehenden. Tommy stufte ihn als Angehörigen der Irischen Freiheitsbewegung ein. Ganz gewiss war Mr Browns Organisation ein weit verzweigtes Unternehmen. Der Verbrechertyp, der wohlerzogene Ire, der bleiche Russe und der tüchtige deutsche Zeremonienmeister. Und wer war der Mann, der all diese Glieder einer unbekannten Kette in Händen hielt?
    In rascher Folge wurde unten an der Tür geklopft. Der erste Mann ließ sich nirgends einordnen, bestenfalls als Büroangestellter. Ein stiller, intelligent aussehender Mann, der ziemlich schäbig gekleidet war. Der zweite war wohl ein Arbeiter und sein Gesicht kam dem jungen Mann bekannt vor.
    Drei Minuten später kam noch einer, ein Mann, der hervorragend gekleidet und anscheinend aus gutem Hause war. Man sah ihm an, dass er zu denen gehörte, die etwas zu sagen haben. Seltsamerweise schien auch sein Gesicht Tommy nicht unbekannt.
    Nach seinem Eintreffen musste Tommy lange warten. Er glaubte schon, die Versammlung sei vollständig, als ein neues Klopfen ertönte.
    Der letzte Ankömmling war ein kleiner, sehr blasser Mann, mit geschmeidigen, fast femininen Bewegungen. Seine etwas hochliegenden Backenknochen ließen auf slawische Abstammung schließen. Als er an der Nische vorbeiging, wandte er langsam den Kopf. Die seltsam hellen Augen schienen durch den Vorhang

Weitere Kostenlose Bücher