Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein gefährlicher Gegner

Ein gefährlicher Gegner

Titel: Ein gefährlicher Gegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
die Frau beobachtete, schwand dieser Ausdruck wie durch Zauberei aus ihrem Gesicht und Mrs Vandemeyer lag wieder regungslos da wie zuvor. Tuppence war entschlossen, die Augen offen zu halten.
    «Gut», sagte nun Hersheimer, «aber ich glaube, wir verlassen dieses Zimmer.»
    Die anderen stimmten ihm zu. Sir James fühlte Mrs Vandemeyer nochmals den Puls. «Ganz ordentlich», sagte er leise zu Tuppence. «Die Nachtruhe wird genügen, um sie wiederherzustellen.» Er ging hinaus. Hersheimer folgte.
    Tuppence blieb einen Augenblick zögernd am Bett stehen. Mrs Vandemeyer öffnete ein wenig die Augen. Sie schien reden zu wollen und es nicht zu können. Tuppence beugte sich über sie.
    «Gehen Sie nicht…», aber sie schien unfähig, weiterzusprechen. Sie murmelte noch etwas, das so klang wie: «Schläfrig.» Tuppence beugte sich noch tiefer über sie. Ihre Worte waren nur noch wie ein Hauch. «Mr Brown…», die Stimme brach ab.
    Aber die halb geschlossenen Augen, noch immer voller Angst, schienen ihr etwas mitteilen zu wollen.
    Von einer plötzlichen Eingebung getrieben, sagte Tuppence: «Ich werde die Wohnung nicht verlassen, sondern die ganze Nacht wach bleiben.»
    Ein Ausdruck der Erleichterung erhellte für einen Augenblick das Gesicht, bevor sich die Augen erneut schlossen. Was hatte sie mit ihrem leisen Gemurmel gemeint: «Mr Brown…?» Tuppence ertappte sich dabei, wie sie nervös einen Blick über ihre Schulter warf. Ihre Augen fielen auf den großen Kleiderschrank, Platz genug, um einem Mann als Versteck zu dienen. Tuppence machte die Schranktür auf und blickte hinein. Niemand – natürlich! Sie sah unter das Bett. Ein anderes Versteck gab es nicht. Es war wirklich zu dumm, wenn einem die Nerven in dieser Weise durchgingen. Langsam verließ sie das Zimmer. Hersheimer und Sir James unterhielten sich mit leiser Stimme. Sir James wandte sich ihr zu.
    «Schließen Sie bitte die Tür von außen, Miss Tuppence, und ziehen Sie den Schlüssel ab. Wir müssen unbedingt verhindern, dass jemand das Zimmer betritt.»
    Er war so ernst, dass dies seinen Eindruck auf die anderen nicht verfehlte; und Tuppence schämte sich nun auch weniger ihrer eigenen «schwachen Nerven».
    «Ach», rief Hersheimer plötzlich, «wir haben ja Tuppences hellen Jungen völlig vergessen. Ich glaube, ich sollte lieber hinuntergehen und seine Neugier ein wenig stillen. Der Bursche gefällt mir, Tuppence.»
    «Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?», fragte Tuppence. «Ich habe ganz vergessen, danach zu fragen.»
    «Die Sache war so: Albert erreichte mich tatsächlich telefonisch. Ich holte sogleich Sir James ab und wir fuhren her. Der Junge hatte vor der Wohnung gehorcht, aber nichts hören können. Jedenfalls schlug er uns vor, im Kohlenaufzug nach oben zu fahren und nicht zu läuten. So landeten wir in der Küche. Albert ist noch immer unten und wahrscheinlich schon ganz durchgedreht.» Mit diesen Worten ging Hersheimer.
    «Nun, Miss Tuppence», sagte jetzt Sir James, «Sie kennen doch diese Wohnung besser als ich. Wo sollten wir uns wohl Ihrer Ansicht nach niederlassen?»
    Tuppence überlegte einen Augenblick. «Ich glaube, Mrs Vandemeyers kleiner Salon wäre am geeignetsten», sagte sie schließlich und ging voraus.
    Sir James sah sich um. «Ja, das ist am besten. Und jetzt gehen Sie endlich zu Bett.»
    Tuppence schüttelte energisch den Kopf. «Danke, Sir James, aber das könnte ich gar nicht. Ich würde die ganze Nacht von Mr Brown träumen.»
    «Aber Sie müssen doch müde sein!»
    «Nein, ich möchte wirklich lieber aufbleiben.»
    Der Anwalt gab nach.
    Einige Minuten später erschien auch Hersheimer wieder, nachdem er Albert beruhigt und ihn für seine Dienste großzügig entlohnt hatte. Auch ihm gelang es nicht, Tuppence zu bewegen ins Bett zu gehen, und so sagte er: «Auf jeden Fall müssen Sie etwas zu essen bekommen. Wo ist die Speisekammer?»
    Tuppence führte ihn hin und einige Minuten später erschien er mit kaltem Fleisch und drei Tellern.
    Nachdem sie alle kräftig zugelangt hatten, fühlte sich Tuppence wesentlich besser; ihre Angstvorstellungen, die sie eine halbe Stunde zuvor noch geplagt hatten, kamen ihr plötzlich lächerlich vor. Sie war auch überzeugt, dass die Bestechung Erfolg haben würde.
    «Und nun erzählen Sie uns mal Ihre Abenteuer, Miss Tuppence», forderte Sir James sie auf.
    Tuppence berichtete, was sich zugetragen hatte. Hin und wieder warf Hersheimer ein Wort der Bewunderung ein. Sir James schwieg, bis

Weitere Kostenlose Bücher