Ein gefährlicher Gentleman
…« Sie verstummte und wandte für einen Moment den Blick ab.
Sie konnte ja nicht wissen, wie sehr ihn diese Worte schmerzten. Luke erwiderte bloß: »Ich vermute, er braucht dich mehr als andere Jungen, da du allein bist.« Er gab sich alle Mühe, diesen schrecklichen Moment irgendwie hinter sich zu bringen. Wollte sie wohl mehr Kinder? Die Frage war ihm noch nie in den Sinn gekommen. Sie hatte ihrem Mann den erhofften Erben geschenkt. Aber vielleicht wünschte sie sich eine größere Familie. Wünschten Frauen sich Töchter, so wie Männer sich Söhne wünschten?
Er wusste es nicht. Die Vorstellung, wie Madeline sein Baby in den Armen hielt, ließ sich nicht so rasch vertreiben, sobald sie seinen Verstand erst besetzt hatte. Er hatte einst die Frau verloren, die er liebte, und mit ihr das Kind, das sie unter dem Herzen trug. Ein Teil von ihm wusste, das konnte er kein zweites Mal ertragen. Madeline blieb wenigstens ihr Sohn.
»Ja, er braucht mich.« Sie gab die Antwort entschlossen und ernst. »Er erinnert sich nicht daran, wie er seinen Vater verlor. Damals war er noch zu jung.«
»Vielleicht ist es nur meine eigene Erfahrung, aber den Vater zu verlieren, ist auch nicht leicht, wenn man älter ist und sich erinnert.« Luke betrachtete nachdenklich die Häuser, die an dem Kutschenfenster vorüberglitten. Ihre Schatten erhoben sich in der Dunkelheit. »Ich war in Spanien, als ich den Brief erhielt. Wir hatten soeben ein blutiges Scharmützel überlebt, und Hunderte waren ums Leben gekommen. Das konnte ich begreifen, denn es war Krieg. Aber ich konnte nicht verstehen, wie ein absolut gesunder Mann wie mein Vater plötzlich einer Krankheit erliegen konnte, von der die Ärzte zunächst dachten, sie sei kaum mehr als ein leichter Husten.«
»Das tut mir leid.«
»Mir ging es ähnlich. Stell dir einen erwachsenen Mann vor, der es gewohnt war, sich mit der Zerstörungswut eines Kriegs zu arrangieren, und dem nichts blieb, außer sich in sein Zelt zurückzuziehen und wie ein kleines Kind zu weinen. Ich vermute, nichts kann einen auf diesen Verlust vorbereiten.«
»Niemand erwartet von dir, dass du aus Stein bist, Mylord.« Sie sagte es sehr leise.
Vielleicht nicht. Aber es gab Zeiten, in denen er sich selbst gewünscht hatte, nicht so tiefe Emotionen zu entwickeln. Die bröckelnde Fassade passte nicht zu dem Mann, der dahinterstand. »Es scheint, als habe jeder seine eigenen Dämonen zu bekämpfen.«
»So ist es.« Madeline zögerte einen Augenblick, ehe sie hinzufügte: »Ich verabscheue es aufs Äußerste, mich von Lord Fitch so manipulieren zu lassen. Ich habe mich immer wieder gefragt, was das Schlimmste wäre, das er mir antun könnte, wenn man von der öffentlichen Demütigung absieht. Und als er mich belästigte, erkannte ich, dass es noch etwas Schlimmeres gab.«
»Da hast du ihm kurzerhand mit dem Schürhaken eins übergezogen«, gab Luke mit ernster Miene zurück. Er war erleichtert, weil sie das Thema gewechselt hatten. Abgesehen von der törichten Anziehungskraft, die sie verband, hatten Madeline und er auch viele schmerzliche Erfahrungen gemeinsam. Es gab keinen Grund, darüber länger nachzudenken.
Ihr Blick war tadelnd, aber ihr Mund strafte ihre Augen Lügen. »Ich wollte eigentlich sagen, dass ich nach diesem Debakel mein Leben neu überdacht habe.«
»Inwiefern?«
Die Katzenkopfsteine ratterten laut unter den Kutschenrädern. Die Nachtluft war lau, der Moment ergreifend. Er hatte auch an diesem Punkt gestanden, an dem die Umstände das Schicksal wendeten. Doch er sagte nichts. Er war noch nicht bereit, ihr davon zu erzählen. Vielleicht kam dieser Augenblick nie.
Madeline zupfte an ihrem Rock. Ihr Gesicht war leicht von ihm abgewandt, sodass er lediglich die klare Linie ihres Profils sehen konnte. Sie räusperte sich. »Wie ich schon vorhin sagte, Altea. Du bist meine personifizierte Schwäche, und obwohl es mir verhasst ist, das einzugestehen, ist es wohl auch notwendig, dass du mir gegen Lord Fitch beistehst. Ich mache mir keine Sorgen um diese Affäre, weshalb es keinen Grund gibt, sie um meinetwillen oder meines Sohns willen zu verbergen. Ich weigere mich, einer Erpressung nachzugeben, nur um einem Skandal zu entgehen.«
Er bewunderte sie für ihren besonnenen Mut und die ruhige Würde. Luke lächelte verführerisch. »Keine Sorge, Mylady. Ich werde dafür sorgen, dass du diesen Skandal nicht bereust.«
Kapitel 13
Wie weit geht wohl meine Verpflichtung als Anstandsdame , fragte
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